Doppelwelle für Elektronenschwung
Neuartiger Hybridbeschleuniger auf Basis von zwei verschiedenen Plasmatechnologien.
Plasmabeschleuniger gelten als vielversprechende Zukunftstechnologie: Sie sind viel kompakter als die heutigen, zum Teil kilometerlangen Anlagen. Bei der Weiterentwicklung dieses Ansatzes ist einer internationalen Forschungsgruppe jetzt ein deutlicher Fortschritt gelungen: Mit zwei komplementären Experimenten am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und an der Uni München konnte das Team erstmals zwei verschiedene Plasmatechnologien kombinieren und einen neuartigen Hybridbeschleuniger bauen. Das Konzept könnte die Beschleunigerentwicklung voranbringen und auf lange Sicht die Grundlage von hochbrillanten Röntgenquellen für Forschung und Medizin bilden.
Bei konventionellen Teilchenbeschleunigern werden starke Radiowellen in Resonatoren geleitet. Auf den Radiowellen können die zu beschleunigenden Teilchen – oftmals Elektronen – wie Surfer auf einer Welle reiten. Doch das Potenzial dieser Technik ist begrenzt: Speist man zu viel Radiowellen-Leistung in die Resonatoren ein, drohen elektrische Überschläge, die das Bauteil beschädigen würden. Um Teilchen auf hohe Energien zu bringen, muss man deshalb viele Resonatoren hintereinanderschalten, was heutige Beschleuniger zum Teil kilometerlang werden lässt.
Deshalb tüftelt die Fachwelt verstärkt an einer Alternative: der Plasmabeschleunigung. Dabei feuern kurze und starke Laserblitze in ein Plasma. Darin erzeugt der Laserpuls ein starkes elektrisches Wechselfeld, das Elektronen auf kürzester Distanz enorm beschleunigen kann. Im Prinzip lassen sich auf diese Weise deutlich kompaktere Anlagen bauen. Ein Beschleuniger, der heute hundert Meter lang ist, kann auf eine Länge von wenigen Metern schrumpfen. „Diese Miniaturisierung macht das Konzept so attraktiv“, erläutert Arie Irman vom HZDR. „Wir hoffen, dass sich damit künftig auch kleine Universitätslabors einen leistungsfähigen Beschleuniger leisten können.“
Doch es gibt eine weitere Variante der Plasmabeschleunigung. Hier dienen nicht starke Laserblitze als Treiber für das Plasma, sondern nahezu lichtschnelle Elektronenpakete. Gegenüber der lasergetriebenen Plasmabeschleunigung verspricht diese Methode zwei Vorteile. „Im Prinzip sollten sich damit höhere Teilchenenergien erreichen lassen und die beschleunigten Elektronenstrahlen dürften sich besser kontrollieren lassen“, so Thomas Kurz vom HZDR. „Der Nachteil ist, dass man bislang große konventionelle Beschleuniger braucht, um die zum Treiben des Plasmas nötigen Elektronenpakete herzustellen.“ Beispielsweise misst FLASH bei DESY in Hamburg, wo solche Experimente stattfinden, gute hundert Meter.
Genau hier setzt das neue Projekt an. „Wir haben uns gefragt, ob sich nicht auch der Beschleuniger, den man zum Treiben der Plasmawelle benötigt, deutlich kompakter bauen lässt“, erläutert Thomas Heinemann von der University of Strathclyde in Großbritannien. „Unsere Idee war, diese konventionelle Anlage durch einen lasergetriebenen Plasmabeschleuniger zu ersetzen.“ Um das Konzept zu testen, entwarf das Team einen raffinierten Versuchsaufbau: Starke Lichtblitze, erzeugt vom HZDR-Laser DRACO, treffen auf einen Gasstrahl aus Helium und Stickstoff. Dort erzeugen sie per Plasmawelle einen gebündelten, schnellen Elektronenstrahl. Dieser Elektronenstrahl tritt durch eine Metallfolie in das nächste Segment, wobei die Folie die Laserblitze zurückwirft.
In diesem nächsten Segment wartet ebenfalls ein Gas, diesmal ein Gemisch aus Wasserstoff und Helium. In diesem Gas kann der eintreffende Elektronenstrahl eine neue, zweite Plasmawelle erzeugen, die dann für andere Elektronen innerhalb von nur einem Millimeter den Turbo zündet – heraus schießt ein hochenergetischer Teilchenstrahl. „Dabei ionisieren wir das Plasma mit einem zusätzlichen, schwächeren Laserpuls vor“, erläutert Heinemann. „Dadurch kann die Plasmabeschleunigung mit dem Treiberstrahl viel effektiver ablaufen.“
„Unser Hybridbeschleuniger misst weniger als einen Zentimeter“, erklärt Kurz. „Der strahlgetriebene Beschleunigerabschnitt nutzt nur einen Millimeter davon, um die Elektronen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit zu bringen.“ Realistische Simulationen des Vorgangs zeigen dabei einen bemerkenswerten Anstieg der Beschleunigungsspannung, der mehr als dem Tausendfachen dieser Kenngröße in einem herkömmlichen Beschleuniger entspricht. Um die Bedeutung ihrer Ergebnisse zu unterstreichen, setzten die Forscher dieses Konzept in ähnlicher Form am ATLAS-Laser der Uni München um. Doch bevor sich an einen Einsatz der Technologie denken lässt, haben die Fachleute noch manche Herausforderung zu meistern.
Mögliche Einsatzfelder haben sie jedenfalls schon im Sinn. „Zum einen könnten Forschungsgruppen, die bislang keinen geeigneten Treiberbeschleuniger zur Verfügung haben, diese Technik nutzen und weiterentwickeln“, hofft Irman. „Und zum zweiten könnte unser Hybridbeschleuniger als Basis für einen Freie-Elektronen-Laser dienen.“ Solche FELs gelten als extrem hochwertige Strahlungsquellen insbesondere für Röntgenlicht, um Nanomaterialen, Biomoleküle oder geologische Proben genau zu analysieren. Bislang benötigen diese Röntgenlaser lange und teure konventionelle Beschleuniger als Treiber. Durch die neue Plasmatechnologie dürften sie deutlich kompakter und kostengünstiger werden – und damit vielleicht auch für ein normales Uni-Labor erschwinglich.
HZDR / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Kurz et al.: Demonstration of a compact plasma accelerator powered by laser-accelerated electron beams, Nat. Commun. 12, 2895 (2021); DOI: 10.1038/s41467-021-23000-7 - Laser-Elektronenbeschleunigung und Lichtquellen (A. Irmann), Institut für Strahlenphysik, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
- Atoms, beams & plasmas, Physics, University of Strathclyde, Glasgow, Großbritannien
- PULSE - the petawatt physics laboratory, Fklt. für Physik, Ludwig–Maximilians–Universität München