07.09.2017

Drahtseil-Schäden frühzeitig erkennen

Neuartiges Überwachungssystem für den mobilen und statio­nären Einsatz.

Fahrstuhl- und Seilbahnkabinen, Bergbahnen, sogar ganze Brücken hängen an Draht­seilen. Reißen sie wegen Brüchen oder Korro­sion, kann das zu schweren Unfällen führen. Daher werden die Seile regel­mäßig kontrol­liert – im Wesent­lichen per Sicht­prüfung der Seil­ober­fläche. Jetzt ent­wickeln das Bremer Institut für Pro­duktion und Logi­stik an der Uni Bremen und das Unter­nehmen MEB-Services ein neu­artiges, auto­ma­tisches Draht­seil­über­wachungs­system, das mit­hilfe intelli­genter Ver­fahren Defekte am sowie im Seil erkennt und bewertet.

Abb.: Stahlseil auf Seilwinde: Frisches Fett ist gold­gelb. Wird es schwarz, liegt das haupt­säch­lich an den Stahl­partikeln, die sich durch den Abrieb darin sammeln. (Bild: M. Lewandowski, BIBA)

„MOBISTAR – Entwicklung eines Systems zur automatischen Detektion von Schäden an einem Draht­seil“ heißt das zwei­jährige Forschungs­projekt. Es hat einen Gesamt­umfang von gut einer halben Million Euro und wird vom Bundes­minis­terium für Wirt­schaft und Energie im Rahmen des „Zentralen Inno­vations­programms Mittel­stand“ mit knapp 400.000 Euro gefördert.

Das Prüfsystem soll auf Basis eines neuen Mess- und Auswerte­ver­fahrens arbeiten und zur spontanen sowie zur konti­nuier­lichen Über­wachung von Seilen mit einem Durch­messer von bis zu vierzig Milli­metern dienen. Zunächst konzen­trieren sich die MOBISTAR-Forschungen jedoch auf Seile mit Durch­messern von acht bis zehn Milli­metern. Sie werden über­wiegend zum Heben von Lasten oder zum Personen­trans­port einge­setzt. „Im Anschluss an das Projekt ist eine Weiter­ent­wick­lung des Systems auf ein größeres Spektrum an Seil­durch­messern ange­dacht“, sagt BIBA-Wissen­schaftler Stephan Oelker.

Das System MOBISTAR wird für den Einsatz an Seilwinden und Befahr­anlagen inner­halb von Wind­energie­anlagen konzi­piert und wird sowohl mobil als auch stationär zu verwenden sein. Als mobile Einheit unter­stützt es zum Beispiel Sach­ver­ständige bei ihren Prüfungen. Als statio­näre Einheit dient es der dauer­haften Über­wachung der Seile. Das System soll auch während des Betriebs der Seile schad­hafte Stellen wie Risse, Brüche, Quet­schungen, Korro­sion oder Knicke erkennen können und muss daher auch bei höheren Geschwin­dig­keiten schnell präzise Ergeb­nisse liefern.

Ein Herzstück des Systems ist die Sensoreinheit. Sie fährt das Draht­seil entlang, nimmt Messungen vor und über­mittelt die Daten an einen Rechner, wo die MOBISTAR-Soft­ware sie sammelt, ver­ar­beitet, analy­siert und eine Bewer­tung über die aktuelle Qualität des Stahl­seiles liefert. So ermög­licht das System eine lücken­lose Dokumen­tation des Seil­zu­stands. Auch aus der Ferne werden sich die Daten aus­lesen lassen.

Für die Messungen setzen die Projektpartner neben Magnet­induk­tions­ver­fahren auch auf neue Sensoren und optische Verfahren. Mit dem Magnet­induk­tions­ver­fahren lassen sich insbe­sondere Brüche im Seil detek­tieren. Die optischen Verfahren geben Auf­schlüsse unter anderem zu Verän­de­rungen der Seil­quer­schnitte und zu Ober­flächen­defekten. „Das Zusammen­spiel bewährter Mess­ver­fahren mit modern­ster Sensor­technik und intel­li­genten Kompo­nenten erlaubt tiefe Einblicke in das geprüfte Material und detail­lierte Aus­wer­tungen mit viel­fältigen Analysen. Dafür bedarf es im Hinter­grund einer komplexen Soft­ware mit neu­artigen Algo­rithmen zur Erken­nung von Schäden am Seil. Auch diese werden in dem Projekt ent­wickelt“, sagt Oelker.

Die Bedingungen vor Ort stellen die Projektpartner BIBA und MEB noch vor einige Heraus­forde­rungen. „Das Sensor­system muss bei Umgebungs­tempera­turen zwischen minus zwanzig und plus sechzig Grad Celsius zuver­lässig arbeiten und für die rauen Bedin­gungen zum Beispiel auf Off­shore-Wind­energie­anlangen schock- und stoß­fest ausge­führt sein“, erklärt Oelker. „Es muss teils großen mecha­nischen Bean­spruchungen stand­halten. Auch Schmutz, Verun­reini­gungen und Wasser oder Salz­wasser sowie Öle und Fette dürfen die Messungen und Aus­wertungen nicht beein­flussen.“

Trotz hoher Erfahrungswerte der Sachverständigen und obwohl diese im Zweifel sicher­heits­halber eher zu früh ein Aus­wechseln der Draht­seile empfehlen: Eine Prognose zum Seil­ver­halten ist immer mit Unsicher­heiten verbunden. „Um höchste Sicher­heits­standards zu gewähr­leisten, werden Draht­seile heute viel­fach ausge­tauscht, bevor optisch irgend­welche Schäden erkenn­bar sind oder tat­säch­lich welche bestehen. Die hohe Unsicher­heit über die Qualität der Stahl­seile treibt die Kosten in die Höhe. Besonders kosten­trächtig ist es, wenn sich plötz­lich Schäden zeigen und dann unge­plant Seile ausge­wechselt werden müssen“, sagt Fritz Mahr­holz, Geschäfts­führer von MEB-Services.

Der Prüfexperte hat früher selbst viele Jahre als Monteur „am Seil gehangen und gear­beitet“ und dabei stets auf die Exper­tisen der Gut­achter vertraut. „Aber es geht noch sicherer“, sagt er. „Indem wir bei den Prüfungen künftig auch in die Seile hinein­schauen und bei Bedarf mittels perma­nenter Kontrolle stets aktuelle Mess­werte erhalten. So können wir noch mehr Sicher­heit gewähr­leisten – und das bei gleich­zeitiger Kosten­reduktion.“

BIBA / RK

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