Welche Ursachen sorgen dafür, dass die Sterne in den Galaxien sich auf den beobachteten Bahnen bewegen? Braucht es dafür die dunkle Materie? Oder erfordert es eine modifzierte newtonsche Dynamik (MOND), die keinen solchen Sternenkitt benötigt? Ein Team um Pieter van Dokkum berichtete im Fachjournal Nature, dass die Zwerg-Galaxie NGC1052-DF2 ohne dunkle Materie auskommt und die MOND-Theorie widerlegt. Pavel Kroupa von der Universität Bonn und der Karls-Universität Prag widersprach nun mit einem internationalen Wissenschaftlerteam dieser Publikation.
Abb.: Die Zwerg-Galaxie NGC1052-DF2 – gesehen durch das Hubble-Weltraumteleskop (Bild: HST / O. Mueller)
„Der Name ‚dunkle Materie‘ rührt daher, dass sie unsichtbar – also dunkel – ist“, sagt Indranil Banik, der in Kürze von der University of St Andrews (Schottland) als Humboldt-Stipendiat an die Universität Bonn kommt. Lediglich ihre Wechselwirkungen über die Gravitation sind indirekt zu beobachten. Nur mit Hilfe der dunklen Materie kann im Standardmodell der Kosmologie die Bewegung der sichtbaren Materie erklärt werden, zum Beispiel wie schnell die Sterne in einer Galaxie um das Zentrum kreisen.
„Allerdings basiert die newtonsche und einsteinsche Gravitationstheorie auf empirischen Daten, die ursprünglich nur für unser Sonnensystem erhoben wurden“, sagt Pavel Kroupa vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn. Die MOND-Hypothese geht dagegen davon aus, dass sich die Gravitationskräfte in den Galaxien anders verhalten, als wir es von unserem Sonnensystem her kennen. Insbesondere bei sehr kleinen Beschleunigungen wird die Gravitation möglicherweise durch zusätzliche Effekte stärker, als es die newtonschen Gesetze vorhersagen. Die MOND-Theorie braucht also keine dunkle Materie.
Pieter van Dokkum und Kollegen berichteten im März 2018 in Nature über die Zwerg-Galaxie NGC1052-DF2, die ohne dunkle Materie auskommt. „Paradoxerweise wird in dieser Publikation auch geschlussfolgert, dass die MOND-Theorie widerlegt wird“, sagt Kroupa. Die Nature-Studie argumentiert, dass laut der MOND-Theorie die Gravitation in allen Galaxien erhöht sein müsste. Da dies bei der Zwerg-Galaxie NGC1052-DF2 nicht der Fall ist, sei die MOND-Gravitationstheorie damit widerlegt.
In einem ergänzenden Kommentar, der von Kroupa und weiteren Kollegen aus dem Iran, Großbritannien, China, den Niederlanden und der Schweiz verfasst wurde, stellen die Wissenschaftler dar, dass die Zwerg-Galaxie ohne dunkle Materie sogar eine wichtige Vorhersage von MOND bestätigt. „NGC1052-DF2 ist nicht isoliert wie eine Insel im Ozean“, sagt Kroupa. Von Nachbargalaxien wirken Gravitationsfelder auf diese Zwerggalaxie ein. „Ohne diese externen Effekte ist eine gültige Vorhersage der internen Dynamik dieser Zwerg-Galaxie in der MOND-Theorie nicht möglich“, sagt Hosein Haghi vom Institute for Advanced Studies in Basic Sciences in Zanjan (Iran), der als DAAD-Fellow in Bonn für einige Monate geforscht hat. Werden dagegen diese externen Feldeffekte berücksichtigt, stimme NGC1052-DF2 mit der MOND-Theorie überein.
U. Bonn / DE