21.10.2021

Dynamik in Sonnen­protuberanzen

Hohe Geschwindigkeitsunterschiede zwischen geladenen Ionen und neutralen Atomen.

Protuberanzen schweben als riesige Wolken über der Sonne, gehalten von einem Stützgerüst aus magnetischen Kraft­linien, deren Fußpunkte in tiefen Sonnen­schichten verankert sind. Die dort stets herr­schenden Strömungen bewegen das Stützgerüst und damit die Protuberanz. Ein Forschungs­team der Universität Göttingen und der Institute für Astrophysik aus Paris, Potsdam und Locarno hat beobachtet, dass in den Sonnen­protuberanzen die ionisierte Eisenatome um bis zu siebzig Prozent schneller sind als neutrale Helium-Atome.

Abb.: In den Sonnen­protuberanzen sind die ionisierte Eisen-Atome um bis zu...
Abb.: In den Sonnen­protuberanzen sind die ionisierte Eisen-Atome um bis zu siebzig Prozent schneller als neutrale Helium-Atome. (Bild: NASA / SDO / AIA / EVE / HMI / AIP)

Die Forscher beobachteten, wie magne­tische Kräfte innerhalb von zehn Minuten eine Protuberanz um 25.000 Kilometer anhoben. Das entspricht mit 42 Kilometern pro Sekunde etwa der vierfachen Schall­geschwindigkeit in der Protuberanz. Dabei traten Schwingungen mit einer Periode von 22 Sekunden auf, bei denen ionisierte Eisen­atome deutlich schneller waren als neutrale Helium-Atome. Nach den Gesetzen der Physik müssen die elektrisch geladenen Eisenionen den Bewegungen des Magnet­feldes folgen, nicht aber die ungeladenen Helium­atome. Diese werden zwar von den Ionen mitge­rissen, jedoch nur zum Teil, da es nicht genügend Kollisionen gibt, weil der Gasdruck zu niedrig ist. 

Solche Bedingungen, bei denen teil­ionisiertes Gas mit wenigen Kollisionen vorkommt, spielen in der Astro­physik eine wichtige Rolle – nicht nur in Sonnen­protuberanzen, sondern unter anderem auch in Gaswolken, aus denen sich Sterne und Planeten bilden, im weit verteilten Gas zwischen den Sternen und im Gas zwischen Galaxien. Die theo­retische Astrophysik simuliert solch einen Zustand mit zwei Flüssigkeiten, die nur schwach miteinander wechsel­wirken. „Diese Rechnungen enthalten Modell-Annahmen, von denen einige mit den neuen Messer­gebnissen überprüft werden können“, sagt Eberhard Wiehr vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen. 

Das Team führte die Beobach­tungen am Sonnen­teleskop in Locarno durch, mit dem nur zwei Emissions­linien gleichzeitig gemessen werden konnten. Nun planen die Wissenschaftler erweiterte Beobach­tungen am fran­zösischen Teleskop auf Teneriffa, mit dem mehrere Linien gleich­zeitig vermessen werden können. Zudem ermöglicht die vierfache Lichtstärke dieses Teleskops eine so kurze Belichtung der licht­empfindlichen Kameras, dass noch kürzere Schwingungs­perioden messbar werden. „Möglicherweise finden wir dann noch höhere Geschwindigkeits­unterschiede zwischen den geladenen Ionen und den neutralen Atomen“, sagt Wiehr.

U. Göttingen / JOL

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