Effiziente Festkörper-Grätzelzelle
Kristalliner Halbleiter ersetzt den flüssigen Elektrolyten in der Farbstoffsolarzelle.
Mit der Farbstoffsolarzelle oder Grätzel-Zelle haben die Silizium- und die Dünnschicht-Photovoltaik einen vielversprechenden Konkurrenten bekommen. Die Grätzel-Zelle, die man mit einfachen Mitteln aus preiswerten Materialien fertigen kann, wandelt das Sonnenlicht mit einer Effizienz von 10 bis 12 Prozent in Elektrizität um. Jetzt haben Forscher in den USA eine Schwachstelle der Farbstoffsolarzelle behoben: Sie haben den flüssigen Elektrolyten durch einen festen Halbleiter ersetzt, ohne dass sich dabei die Effizienz merklich verringerte.
Abb.: Effiziente Farbstoffsolarzelle ohne flüssigen Elektrolyten: Das (von unten) einfallende Licht erzeugt im Farbstoff (rot) Elektronen und Löcher. Die Elektronen wandern durch das Titanoxid zur transparenten Anode, die Löcher durch den Halbleiter Cäsiumzinnjodid zur Platinkathode. (Bild: M. Kanatzidis)
Bei der herkömmlichen Farbstoffsolarzelle fällt das Licht durch eine transparente Elektrode auf eine mikrometerdünne Schicht von Titanoxidpartikeln, die mit einem Farbstoff überzogen sind. Die Schicht wird von einem Elektrolyten bedeckt, der mit einer Platinelektrode in Kontakt steht. Die einfallenden Photonen erzeugen im Farbstoff Elektron-Loch-Paare, die sich auftrennen: Das Elektron wird vom Titanoxid aufgenommen und zur transparenten Elektrode transportiert, während das Loch in den Elektrolyten wandert und durch so zur Platinelektrode gelangt. Verbindet man die beiden Elektroden außerhalb der Zelle, so fließt ein nutzbarer Strom.
Im vergangenen Jahr hatten Forscher um Michael Grätzel, einen der Erfinder der Farbstoffsolarzelle, den Farbstoff und den flüssigen Elektrolyten verbessert, sodass die Zelle eine Effizienz von 13 Prozent erreichte. Doch alle bisher benutzten flüssigen Elektrolyte haben zahlreiche Nachteile. Sie können die Elektroden korrodieren, sie sind photoreaktiv, sie können auslaufen, und sie haben einen komplizierten chemischen Aufbau.
Aus diesen Gründen versucht man, die flüssigen Elektrolyte durch einen festen Halbeiter zu ersetzen, der die in den Farbstoffen entstehenden Löcher möglichst effizient zur Kathode bringt. Farbstoffsolarzellen mit halbleitenden Polymeren erreichten jedoch eine Effizienz von nur etwa 6 Prozent. Das lag daran, dass der feste Halbleiter nur teilweise in die zahllosen Löcher der mikroporösen Titanoxidschicht eindrang, sodass große Teile der Farbstoffschicht keinen Kontakt mit dem Halbleiter hatten und die in ihnen erzeugten Löcher nicht zur Kathode gelangen konnten.
Mercouri Kanatzidis und seine Mitarbeiter an der Northwestern University in Evanston, Illinois, haben dieses Kontaktierungsproblem gelöst. Sie benutzten den Halbleiter Cäsiumzinnjodid, den sie in einem polaren organischen Lösungsmittel auflösten. Die Lösung träufelten sie mit einer Pipette auf die Titanoxidschicht, wobei sie in die kleinsten Poren zwischen den Titanoxidpartikeln eindrang. Anschließend trockneten sie die Schicht, sodass das Cäsiumzinnjodid auf den mit dem Farbstoff N719 überzogenen Titanoxidpartikeln auskristallisierte. Wie elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigten, bestand ein inniger Kontakt zwischen dem kristallinen Cäsiumzinnjodid und der Farbstoffschicht.
Cäsiumzinnjodid ist ein Halbleiter mit einer direkten Bandlücke von 1,3 Elektronvolt und einer ungewöhnlichen hohen Mobilität für Löcher. Diese Eigenschaften ermöglichen es ihm, an die Stelle des Elektrolyten in der Farbstoffsolarzelle zu treten. Die Forscher maßen den Photostrom und die Effizienz ihrer Festkörper-Farbstoffsolarzelle. Dabei fanden sie heraus, dass eine Dotierung des Cäsiumzinnjodids mit Fluor und Zinnfluorid (mit einer molaren Konzentration von jeweils 5 Prozent) den Photostrom und die Effizienz noch weiter erhöhte. Die gemessene Effizienz erreichte 10,2 Prozent und lag damit nur geringfügig unter der Effizienz der Grätzel-Zelle.
Wie die optische Absorptionsspektroskopie an der neuen Solarzelle ergab, lag deren Absorptionskante bei 789 Nanometern und war damit um etwa 120 Nanometer rotverschoben gegenüber der Absorptionskante einer Grätzel-Zelle, die denselben Farbstoff N719 enthält. Bei Beleuchtung mit monochromatischem Licht mit einer Wellenlänge zwischen 550 und 670 Nanometer produzierte die Festkörper-Farbstoffsolarzelle einen deutlich stärkeren Photostrom als die Grätzel-Zelle. Die neue Zelle kann also das rote und infrarote Licht besser nutzen.
Die Forscher sind zuversichtlich, ihre Festkörper-Farbstoffsolarzelle noch weiter verbessern zu können. Während der flüssige Elektrolyt in der Grätzel-Zelle chemisch äußerst komplex ist, ist der kristalline Halbleiter der neuen Solarzelle vergleichsweise einfach aufgebaut, sodass sich seine Eigenschaften viel leichter berechnen und theoretisch optimieren lassen. Zudem kann man auch die neue Festkörper-Farbstoffsolarzelle aus gängigen Substanzen und mit einfachen Mitteln preiswert fertigen.
Rainer Scharf