17.05.2022

Effizienter photonisch rechnen

Quantengatter mit eiskaltem Atomgas erreicht neue Rekordmarke.

Quantencomputer sollen künftig nicht nur besonders knifflige Rechen­aufgaben lösen, sondern sich auch zu einem Netzwerk für den sicheren Austausch von Daten verbinden lassen. Entscheidend dafür sind Quanten­gatter. Doch die ließen sich bislang nicht mit ausreichend großer Effizienz realisieren. Durch die ausgeklügelte Kombination mehrerer Techniken haben Forscher am Max-Planck-Institut für Quanten­optik (MPQ) nun einen großen Schritt gemacht, um diese Hürde zu überwinden.

 

Abb.: In der Bild­mitte erkennt man durch das Sichtfenster der Vakuum­kammer...
Abb.: In der Bild­mitte erkennt man durch das Sichtfenster der Vakuum­kammer den Halter für die Spiegel des Resonators. Zwischen den Spiegeln befinden sich die ultra­kalten Atome, welche die Wechsel­wirkung zwischen den Photonen erzeugen. (Bild: MPQ)

Computer werden seit Jahrzehnten mit jeder neuen Generation schneller und leistungs­fähiger. Diese Entwicklung ermöglicht es, stetig neue Anwendungen zu erschließen, etwa in Systemen mit künstlicher Intelligenz. Doch weitere Fortschritte sind mit der etablierten Rechner­technologie immer schwieriger zu erreichen. Daher haben die Forscher inzwischen alternative, vollkommen neuartige Konzepte im Visier, die künftig bei einigen besonders schwierigen Rechen­aufgaben zum Einsatz kommen könnten. Dazu gehören unter anderem Quantencomputer.

Qubits sind die Pendants der Bits in der Quantenwelt – unterscheiden sich von diesen aber in einem wichtigen Merkmal: Qubits können nicht nur zwei feste Werte oder Zustände wie Null oder Eins annehmen, sondern auch beliebige Werte dazwischen. Das bietet die Chance, im Prinzip viele Rechen­prozesse gleichzeitig zu erledigen, anstatt eine logische Operation nach der anderen abzuarbeiten.

„Um das Konzept der Qubits physikalisch umzusetzen, gibt es verschiedene Möglichkeiten“, sagt Thomas Stolz, der am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching an den Grundlagen von Quanten­computern forscht. „Eine davon sind optische Photonen.“ Auf solche Lichtteilchen aus dem sichtbaren Spektral­bereich setzen auch Stolz und seine Kollegen im Team, das von Stephan Dürr und MPQ-Direktor Gerhard Rempe geleitet wird. „Ein Vorteil der Photonen als Informations­träger in einem Quanten­computer ist ihre geringe Wechselwirkung untereinander und mit der Umgebung“, erklärt Stolz. „Das verhindert, dass die für den Bestand von Qubits nötige Kohärenz durch äußere Störungen rasch zunichtegemacht wird.“ Zudem lassen sich Photonen, etwa in einer Glasfaser, über weite Distanzen transportieren. „Das macht sie zu einem besonders aussichtsreichen Kandidaten für den Aufbau von Quantennetzwerken“, sagt Stolz: Verbindungen mehrerer Quantenrechner, über die sich verschlüsselte Daten bedingungslos sicher – und zuverlässig gegen Abhörversuche geschützt – übertragen lassen.

Die grundlegenden Bauelemente eines Quantencomputers – und damit auch eines Quantennetzwerks – sind Quantengatter. Sie entsprechen in ihrer Funktionsweise den Logikgattern in konventionellen Rechenmaschinen, sind aber auf die besonderen Eigenschaften von Qubits zugeschnitten. „Quantengatter auf der Grundlage von Qubits aus eingefangenen Ionen oder supraleitenden Materialien sind technisch derzeit am weitesten ausgereift“, stellt Stephan Dürr fest. „Ein solches Element mit Photonen zu realisieren, ist jedoch deutlich anspruchsvoller.“ Denn dabei verwandelt sich der Vorteil der schwachen Wechselwirkungen in einen handfesten Nachteil. Um nämlich Informationen verarbeiten zu können, müssen die Lichtteilchen in der Lage sein, sich gegenseitig zu beeinflussen. Wie sich das effektiv erreichen lässt, haben die Forscher am MPQ nun in einer neuen Studie gezeigt.

Bisherige Versuche, Quantengatter zu verwirklichen, die zwei Photonen miteinander verknüpfen, waren nur begrenzt erfolgreich. Sie krankten vor allem an einer geringen Effizienz von maximal elf Prozent. Das bedeutet: Ein großer Anteil der Lichtteilchen und damit auch der Daten geht beim Verarbeiten in dem Quanten­system verloren– ein Manko vor allem dann, wenn in einem Quanten­netzwerk zahlreiche Quantengatter hinter­einander­geschaltet werden sollen und sich Verluste dadurch addieren. „Uns hingegen ist es erstmals gelungen, ein optisches Zwei-Qubit-Gatter mit einer mittleren Effizienz von mehr als vierzig Prozent zu realisieren“, berichtet Stephan Dürr – fast das Vierfache der bisherigen Rekordmarke.

„Die Basis für diesen Erfolg war die Nutzung nichtlinearer Bauteile“, erklärt Stolz. Sie sind enthalten in einer neuartigen experimentellen Plattform, die das Team am MPQ eigens für das Experiment entwickelt und im Labor installiert hat. Dabei konnten die Forscher auf ihre Erfahrungen aus früheren Arbeiten aufbauen, die sie 2016 und 2019 publiziert hatten. Eine Erkenntnis daraus war, dass es für die Informations­verarbeitung mit Photonen nützlich ist, ein kaltes, atomares Gas zu verwenden, in dem wenige Atome energetisch hoch angeregt werden. „Die Atome vermitteln die erforderliche Wechsel­wirkung zwischen den Photonen“, erklärt Stolz. „Allerdings haben die früheren Arbeiten auch gezeigt, dass die Dichte der Atome nicht zu groß sein darf, da sonst die kodierte Information durch Stöße der Atome untereinander rasch wieder gelöscht wird.“ Daher verwendeten die Physiker nun ein atomares Gas mit nur geringer Dichte, das sie auf eine Temperatur von 0,5 Mikrokelvin abkühlten. „Als zusätzlichen Verstärker für die Wechsel­wirkung der Photonen platzierten wir die ultrakalten Atome zwischen den Spiegeln eines optischen Resonators“, berichtet Stolz.

Das führte zum Erfolg des Experiments, bei dem das Quantengatter die optischen Qubits in zwei Schritten verarbeitete: Zunächst wurde ein Kontroll-Photon in den Resonator eingebracht und darin gespeichert. Danach gelangte ein zweites, das Ziel-Photon, in den Aufbau und wurde dort von den Resonator-Spiegeln reflektiert – „der Moment, in dem die Wechselwirkung stattfand“, betont Stolz. Letztlich verließen beide Photonen das Quantengatter – samt der ihnen aufgeprägten Information. Damit das so funktionieren konnte, wendeten die Forscher einen weiteren Kniff an. Dieser basiert auf Rydberg-Zuständen – elektronischen Anregungen der Gas-Atome auf ein sehr energiereiches Niveau. „Dadurch dehnt sich das angeregte Atom – im klassischen Bild – mächtig aus“, erklärt Stolz. Es erreicht einen Radius von bis zu einem Mikrometer – mehrere Tausend Mal so groß wie das normale Ausmaß des Atoms. Die so aufgeblähten Atome im Resonator ermöglichen erst einen ausreichend starken Effekt der Photonen aufeinander. Allerdings entsteht dadurch zunächst nur eine Phasen­verschiebung. Zusätzlich wird das Licht auf verschiedene Pfade aufgeteilt, die später überlagert werden. Erst die quanten­mechanische Interferenz bei dieser Überlagerung macht aus der Phasen­verschiebung ein Quantengatter.

Dem Experiment vorangegangen war eine aufwendige, theoretische Analyse. Das MPQ-Team hatte eigens ein umfassendes, theoretisches Modell entwickelt, um damit den Design­prozess der neuen Forschungs­plattform zu optimieren. Weiterführende, theoretische Untersuchungen zeigen Wege auf, mit denen die Forscher hoffen, künftig zu einer noch besseren Effizienz ihres optischen Quantengatters zu gelangen. Zudem wollen sie herausfinden, wie sich das Quantengatter zu größeren Systemen hochskalieren lässt – durch die gleichzeitige Verarbeitung zahlreicher Qubits. „Dass das grundsätzlich möglich ist, haben unsere bisherigen Versuche bereits gezeigt“, sagt Gerhard Rempe, Leiter der Abteilung. Er ist überzeugt: „Unsere neuen Erkenntnisse werden bei der Entwicklung auf Licht basierender Quanten­computer und Quantennetzwerke von großem Nutzen sein.“

MPQ / DE

 

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