Ein Computer aus Nanoröhren
Prototyp mit 178 Transistoren bewältigt logische Grundoperationen.
Halbleitende Nanoröhren aus Kohlenstoff gelten seit Jahren als vielversprechende Alternative zu Silizium für den Bau elektronischer Schaltkreise. Schon vor 15 Jahren schaltete in den Laboren von Cees Dekker an der Technischen Universität Delft der erste Transistor aus den vielseitigen Kohlenstoff-Nanoteilchen. Nun gelang es einer Arbeitsgruppe an der Stanford University, aus Nanoröhren einen ersten Computer zu fertigen. Dessen Leistung ist zwar noch sehr bescheiden und erinnert an die Anfänge der Silizium-Ära in den 1950er Jahren. Doch haben Prozessoren aus Nanoröhren-Transistoren das Potenzial, weniger Strom zu verbrauchen und das Problem einer zunehmend störenden Wärmeentwicklung in hochgetakteten Prozessoren zu lösen.
Abb.: Siliziumdioxid-Wafer mit Prozessoren aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen. (Bild: NPG, M. M. Shulaker, Stanford U.)
Für ihren Prototyp verknüpfte das Team um Subhasish Mitra 178 Nanoröhren-Transistoren (CNFET) zu einem rudimentären 1-Bit-Computer. Mit einer langsamen Taktung von einem Kilohertz konnte dieser über eine grundlegende logische Operation digitale Daten nach Wunsch verarbeiten. Schon 20 CNFETs reichten für eine SUBNEG-Instruktion aus. Dabei wird ein Wert einer ersten Speicheradresse von dem Wert einer zweiten Adresse subtrahiert und ein positives Ergebnis in eben dieser Adresse gespeichert. Ist das Ergebnis dieser Berechnung negativ, wird es zu einer dritten Speicheradresse transferiert. Diese Instruktion genügt den Anforderungen eines universellen Computers, da über wiederholte SUBNEG-Schritte prinzipiell alle Berechnungen durchgeführt werden können, wenn ausreichend Speichermöglichkeiten zur Verfügung stehen. Zur Demonstration ließ die Stanford-Gruppe ihren Kohlenstoffrechner zum einen hochzählen und zum anderen einen Sortier-Algorithmus für ganze Zahlen durchführen.
Möglich wurde dieser große Schritt hin zu leistungsfähigen Kohlenstoff-Prozessoren über ein geschicktes Design der wenige Mikrometer kleinen Schaltkreise. Die Prozessor-Architektur gestalteten die Forscher mit einem redundanten Aufbau der Transistoren so geschickt, dass Kurzschlüsse durch einzelne, nicht parallel ausgerichtete Nanoröhren die Funktion der Transistoren nicht mehr stören konnten. Dazu ließen Mitra und Kollegen zuerst aus einer heißen Dampfphase einwandige Nanoröhren auf einer Quartzunterlage wachsen. Streng parallel ausgerichtet, transferierten sie diese Röhrchen auf einen Siliziumdioxid-Wafer. Für die elektrischen Kontakte (source, drain, gate) deponierten sie hauchdünne Schichten aus Platin, Palladium und Aluminiumoxid auf die Nanoröhren. Strukturiert mit lithografischen Verfahren und Ätzprozessen entstand so das Areal aus 178 Transistoren. Jeder einzelne Transistor basierte dabei auf zehn bis 200 einzelnen Nanoröhren. Das Schaltverhalten folgte dabei einer PMOS-Logik: Ein Stromfluss (ON-Status) fand statt, wenn am Gate eine negative Spannung anlag.
Da Nanoröhren aus Kohlenstoff abhängig von der Anordnung ihrer Atome nicht immer nur halbleitend, sondern auch metallisch leitend sein können, war der Bau zuverlässiger Schaltkreise bisher sehr schwierig. Auch für ihren Prototyp mussten Mitra und Kollegen eine Lösung für dieses Problem finden, das sonst zuverlässige Schaltprozesse verhindert hätte. Dazu setzten sie ihren Prozessor gleichmäßig unter Strom. Dieser floss bevorzugt durch die metallisch leitenden Röhrchen und heizte diese so stark auf, dass sie schließlich verdampften. Übrig blieben ausschließlich halbleitende Nanoröhren.
Franz Kreupl, Elektronikexperte an der Technischen Universität München, äußert sich in einem begleitenden Kommentar begeistert: „Dieses System ist ein funktionierender universeller Computer und repräsentiert einen signifikanten Fortschritt auf dem Feld neuer elektronischer Materialien.“ Mihail Roco, Experte für Nanotechnologie von der amerikanischen National Science Foundation, der selbst nicht an diesen Arbeiten beteiligt war, attestiert ihnen einen „wichtigen, wissenschaftlichen Durchbruch.“
Doch bis CNFET-Rechner mit der etablierten Silizium-Technologie mithalten kann, werden noch viele Jahre vergehen. So misst der kleinste der Nanoröhren-Transistoren noch etwa acht Millionstel Meter und ist damit um ein Vielfaches größer als derzeitige Silizium-Transistoren. Parallel gilt es, ausgehend von den bisher möglichen 1-Bit-Operationen Schritt für Schritt komplexere Strukturen für 32- oder gar 64-Bit-Systeme zu schaffen. Die Nanoröhren müssten dazu noch exakter auf kleinerem Raum angeordnet und die resultierenden Transistoren über geeignete Architekturen miteinander verschaltet werden. „Wenn die Forschungsanstrengungen […] weiter auf diesen Nanoröhren-Computer fokussiert werden, könnten wir schon bald auf einem schreiben und tippen", prognostiziert Kreupl.
Jan Oliver Löfken
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PH