22.02.2018

Ein Memristor zum Vernetzen

Neuer Baustein für neuronale Netzwerke verarbeitet und speichert zugleich digitale Daten.

Ein Memristor ist ein erst vor zehn Jahren erstmals realisierter elektronischer Baustein, der digitale Daten sowohl berechnen als auch zugleich speichern kann. Zahlreiche Prototypen aus Metall­oxiden oder sogar organischen Molekülen konnten bereits einfache logische Berechnungen durchführen. Der große Schritt hin zu Memristor-Schaltkreisen, die ähnlich wie die Neuronen im Gehirn arbeiten, gelang bisher jedoch nicht. Ein neuer Memristor-Typ, Mem­transistor genannt, könnte nun die Basis dazu legen. Denn wie die Entwickler um Mark C. Hersam von der North­western University in Evanston berichten, bietet der Mem­transistor mit bis zu sieben Elektroden erstmals die Fähigkeit für eine komplexere Vernetzung mehrerer Module.

Abb.: Memtransistoren aus Molybdändisulfid könnten in Zukunft komplexe Schaltkreise ermöglichen, die ähnlich arbeiten wie die neuronalen Netzwerke im Gehirn. (Bild: M. Hersam, NWU)

Für ihre Prototypen deponierten Hersam und Kollegen in einem Spin-Coating-Verfahren eine nur eine Molekül­lage dünne Schicht aus Molybdän­disulfid auf einem Träger aus Siliziumdioxid. In dieser poly­kristallinem Schicht formten sie mit lithografischen Methoden filigrane Leitungs­kanäle mit Ausmaßen zwischen fünf und 150 Mikrometern. Entsprechend kontaktiert ließ sich in dem Mem­transistor eine Transistor­schaltung mit einem digitalen Speicher­modul kombinieren. Insgesamt verfügte der Prototyp über sieben Kontakt­elektroden für die elektronische Kontrolle und für die Verknüpfung mit weiteren Mem­transistoren.

Unter dem Mikroskop zeigte sich, dass die Schicht aus dem Halbleiter Molybdän­disulfid aus zahlreichen einzelnen Kristall­inseln bestand. „Da die Molybdän­disulfid-Schicht atomar dünn ist, lässt sie sich einfach über elektrische Felder beeinflussen“, sagt Hersam. Dank dieser Eigenschaft ließ sich daraus mit entsprechend kontaktierten Source- und Drain-Elektroden ein Transistor konstruieren. Um digitale Daten im gleichen Modul aber auch speichern zu können, kam ihnen die hohe Mobilität von Defekten in dem kristallinen Material zugute.

So zeigten erste Testmessungen, dass der Memtransistor sich einerseits wie ein herkömmlicher Transistor schalten ließ. Andererseits ließ sich mit Spannungs­pulsen von bis zu 80 Volt die atomare Ordnung in der Molybdän­disulfid-Schicht gezielt verändern. Diese kontrolliert fabrizierten Defekte führten zu schaltbaren Veränderungen des elektrischen Leit­fähigkeit. Genauer war für den Zustand mit geringer Leitfähigkeit eine hohe Schottky-Barriere verantwortlich. Im gut leitenden Zustand war diese Barriere deutlich geschrumpft, so dass sich elektrische Ladungen viel leichter zwischen den Elektroden bewegen konnten.

Diese lokalen Variationen des elektrischen Widerstands eignen sich für die dauerhafte Speicherung digitaler Daten. Erneute Spannungs­pulse konnten diese Speicher löschen und neu beschreiben. So vereinte der Mem­transistor die Schalt­eigenschaften eines Transistors mit einem Speicher­modul. Doch im Unterschied zu früheren Memristor-Prototypen verfügte der Mem­transistor über bis zu sieben Elektroden. Eine Schaltpuls an nur einer Elektrode beeinflusste den Stromfluss an den sechs weiteren Kontakten. Dieser Aufbau erlaubt es prinzipiell, einen Mem­transistor mit einigen weiteren zu verknüpfen. „Dank dieser Struktur mit mehreren Kontakten ähnelt der Aufbau den Neuronen in einem Gehirn, die ebenfalls über mehrere Verknüpfungen, die Synapsen, verfügen“, sagt Hersam.

In weiteren Experimenten könnten nun elektronische Netzwerke mit mehreren Mem­transistoren entwickelt werden. Diese sollen einfache logische Aufgaben erfüllen. Doch die Erwartungen auf dem Feld der Memristor-Forschung gehen deutlich weiter. Komplexere Systeme könnten danach den Weg zu künstlichen Intelligenzen ebnen, die schneller als herkömmliche Computer etwa verschiedene Muster erkennen und voneinander unterscheiden oder einzelne Daten aus sehr großen Datensätzen herausfiltern.

Ob dieser Schritt mit Memristoren aus Metalloxiden oder den neuen Mem­transistoren aus Molybdändisulfid tatsächlich gelingt, lässt sich bisher nicht absehen. Doch immerhin erlaubten die von Hersam genutzten Verfahren die Fertigung von einigen Dutzend Mem­transistoren. Und der Forscher ist davon überzeugt, dass sich diese Prozesse auch für die Produktion von Millionen Mem­transistoren – vergleichbar mit den heute angewandten Verfahren der Chip­hersteller – skalieren lassen.

Jan Oliver Löfken

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