Ein präziser Tacho für die Astronomie
Mit einer neuen Methode lassen sich Geschwindigkeiten von Sternen und anderen Himmelskörpern 1000-mal genauer bestimmen als bislang.
Mit einer neuen Methode lassen sich Geschwindigkeiten von Sternen und anderen Himmelskörpern 1000-mal genauer bestimmen als bislang.
Was sich in kosmischen Dimensionen abspielt, macht sich auf der Erde oft nur als Winzigkeit bemerkbar. Deshalb können Astronomen derzeit nicht direkt nachweisen, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt, oder nach Planeten suchen, die etwa so groß sind wie die Erde und um sonnenähnliche Sterne kreisen. Ein internationales Forscherteam um Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik hat jetzt ein Messprinzip erprobt, das solche Beobachtungen ermöglichen soll. Die Wissenschaftler nutzen einen Frequenzkamm um extrem genau die Farbe des Lichts zu ermitteln, das Himmelskörper aussenden. In einem Frequenzkamm reihen sich Spektrallinien aneinander, deren Farben sich sehr gut bestimmen lassen. Diese Spektrallinien vergleichen die Physiker mit dem Spektrum astronomischer Quellen. So wollen sie künftig Geschwindigkeitsänderungen von Himmelskörpern auf einen Zentimeter pro Sekunde genau ermitteln. Damit wäre ihre Methode etwa 1000 Mal genauer als derzeit verfügbare Verfahren und würde die Suche nach erdähnlichen Planeten erlauben oder den Test, ob sich die Ausdehnung des Alls wirklich beschleunigt (Science, 5. September 2008).
Planeten außerhalb unseres Sonnensystems verraten sich nur indirekt: Wenn sie sich um ihren Stern drehen, spürt dieser einen Rückstoß und entfernt oder nähert sich der Erde periodisch. Das stellen Astronomen anhand des Dopplereffekts fest: In etwa wie die Sirene eines Krankenwagens, der sich nähert, höher klingt als wenn er sich entfernt, verschiebt sich auch das Licht eines sich bewegenden Sterns. Nähert er sich, erscheint sein Licht ins Blaue verschoben, entfernt er sich, wirkt es rötlicher. Bislang lassen sich auf diese Weise nur Planeten von der Größe des Jupiter oder Saturn aufspüren. Denn nur sie zerren so stark an ihrem Zentralstern, dass die Dopplerverschiebung von dessen Licht auf der Erde messbar ist.
Abb.: Sternenlicht in der Farbanalyse: Das Licht, das Teleskope sammeln, wird über eine Glasfaser zum Spektrografen geleitet und dort in seine einzelnen Farben aufgefächert. Der Vergleich mit dem Frequenzkamm - zu erkennen als Linien mit regelmäßigem Abstand - ermöglicht es, die Farbe genau zu bestimmen. (Bild: Eso)
Mithilfe des Frequenzkamms könnte sich die Farbe des Sternenlichts jedoch sehr viel genauer bestimmen lassen. "Wir hoffen, dass wir dann auch Verschiebungen von einem Zentimeter pro Sekunde feststellen können", sagt Thomas Udem, der das Projekt am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching leitet. Bislang können Astronomen nur den Dopplereffekt bei Sternen beobachten, die sich mit zehn Metern pro Sekunde auf die Erde zu oder von ihr weg bewegen. Zum Vergleich: Die Erde verpasst der Sonne einen Schubs von zehn Zentimetern pro Sekunde. Im Vergleich zu der Geschwindigkeit von 220 Kilometern pro Sekunde, mit der sich die Sonne um das Zentrum unserer Galaxie dreht, ist das lächerlich", so Udem.
Die höhere Messgenauigkeit könnte zudem helfen, innerhalb von rund zehn Jahren festzustellen, ob sich das Universum immer schneller ausdehnt. Dies ist eine Folgerung aus der Beobachtung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Setzt man das gefundene Mikrowellenmuster in die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie ein, die als gültig vorausgesetzt werden, ergibt sich diese Beschleunigung, wenn eine mysteriöse dunkle Energie den größten Teil der Energie im Universum ausmacht. Bislang wurde aber noch nicht direkt nachgewiesen, dass sich die Ausdehnung des Universums tatsächlich beschleunigt. Mit der derzeit möglichen Messgenauigkeit müssten Astronomen nämlich mehrere tausend Jahre warten, um den vorausgesagten Effekt an einem geeigneten Objekt im All festzustellen. "Wenn wir das nicht nachweisen können, müssen wir die Allgemeine Relativitätstheorie, die im Gegensatz zur speziellen bislang nicht sehr gut experimentell belegt ist, verwerfen oder erweitern", sagt Thomas Udem.
Die neue Präzision in den Messungen soll der Frequenzkamm ermöglichen, für dessen Entwicklung unter anderen Theodor Hänsch, Direktor des Garchinger Instituts, im Jahr 2005 den Nobelpreis erhielt. In einem Frequenzkamm fächern Physiker einen Laserstrahl zu einer Reihe von Spektrallinien auf, deren Frequenzen, also Farben, sie sehr genau bestimmen können. "Das hängt nur von der Genauigkeit der Atomuhr ab, mit der wir die Frequenzen abzählen", erklärt Udem: "Für Anwendungen in der Astronomie reichen uns da selbst preiswerte Atomuhren." Das Spektrum eines Sterns oder anderen Objekts, das sie vermessen, vergleichen die Wissenschaftler dann mit dem Frequenzkamm. Auf diese Weise können sie den Spektrografen kalibrieren, der das Licht des Objekts auf seine unterschiedlichen Farbbestandteile hin analysiert. Diese liefern wegen der Instabilitäten, die auch die besten Spektrografen besitzen, für einen Stern in zwei Messungen nämlich zwei leicht verschiedene Spektren - auch wenn sich das Licht des Sterns gar nicht verändert hat. "Da wir genau wissen, wo die Linien des Frequenzkamms liegen, können wir diese Schwankungen aus den Messungen herausrechnen und unsere Messgenauigkeit so drastisch erhöhen", sagt Thomas Udem.
Bislang hat das Wissenschaftlerteam mit der neuen Messmethode Instabilitäten des Spektrografen soweit korrigiert, das die Geschwindigkeit eines beobachteten Objekts nur noch um scheinbare neun Meter pro Sekunde schwankt. Alleine das ist schon ein bisschen besser als der derzeitige Standard. "Und dabei haben wir mit einem Sonnenteleskop getestet, welches für diesen Zweck gar nicht ausgelegt ist", sagt Udem. Manche Teleskope liefern dagegen Ergebnisse, die auch ganz ohne Kalibrierung schon mehr als zehn Millionen stabiler sind. Diese wollen die Garchinger Forscher in Zukunft auch nutzen. Außerdem haben die Wissenschaftler bislang nur einen Frequenzkamm mit ein paar Hundert Zähnen verwendet. "Wir können aber mit mehreren Zehntausend messen", so Udem: "Daher sind wir sehr zuversichtlich, dass wir mit einem optimalen Aufbau auch Geschwindigkeitsschwankungen von einem Zentimeter pro Sekunde nachweisen können."
Quelle: MPG [PH]