14.06.2022

Ein ungewöhnlicher Neutronenstern

Langsam rotierender Neutronenstern könnte zu bislang nur theoretisch postulierter Klasse gehören.

Ein internationales Team von Wissenschaftlern, darunter auch Astronomen des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn, hat einen ungewöhnlichen Neutronen­stern entdeckt, der Radio­strahlung aussendet und sich alle 76 Sekunden um die eigene Achse dreht. Das Team, das von Mitgliedern der MeerTRAP-Gruppe („More Transients and Pulsars“) an der Universität Manchester geleitet wird, spricht von einer einzigartigen Entdeckung, da sich dieser Stern auf dem Friedhof der Neutronensterne befindet, wo man überhaupt keine Pulsar­aktivität erwartet. Die Entdeckung wurde mit dem MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika gemacht.

 

Abb.: Künstlerische Darstellung des neu entdeckten Neutronen­sterns PSR...
Abb.: Künstlerische Darstellung des neu entdeckten Neutronen­sterns PSR J0901-4046 mit 76 Sekunden Puls­periode (magentafarben) im Vergleich zu schneller rotierenden Pulsaren. (Bild: D. Futselaar / artsource.nl)

Die Quelle wurde zunächst vom ERC-finanzierten MeerTRAP-Team entdeckt, bei gemeinsamen Beobachtungen einer Himmelsregion, die von einem anderen Team, ThunderKAT, geleitet wurden. Beide Forscherteams, MeerTRAP und ThunderKAT, arbeiteten daraufhin eng zusammen, um den Ursprung der Quelle zu enträtseln. Es war ihnen möglich, die Pulsationen mit Hilfe von Acht-Sekunden-Bilder des Himmels zu bestätigen und die genaue Position der Quelle zu bestimmen, woraufhin detaillierte und empfindlichere Folge­beobachtungen durchgeführt werden konnten.

Neutronensterne sind extrem dichte Überreste einer Supernova-Explosion eines massereichen Sterns. Derzeit sind etwa 3000 dieser Sterne in unserer Milchstraße bekannt. Der neu entdeckte Stern ist jedoch anders als die bisher gefundenen Neutronensterne. Das Team geht davon aus, dass er zu der bisher nur theoretisch postulierten Klasse von ultra­lang­lebigen Magnetaren mit extrem starken Magnetfeldern gehören könnte.

Manisha Caleb, vormals Universität Manchester und jetzt an der Universität von Sydney, die das Forschungsprojekt leitete, sagt: „Es ist erstaunlich, dass wir von dieser Quelle nur während 0,5 Prozent ihrer Rotations­periode Radioemission feststellen können. Das bedeutet, dass es ein großer Zufall ist, dass sich der Radiostrahl mit der Erde kreuzt. Es ist daher wahrscheinlich, dass es in der Galaxis noch viel mehr solcher sehr langsam rotierenden Quellen gibt. Das hat wichtige Auswirkungen auf die Entstehung und das Altern von Neutronensternen.“

„Die meisten Pulsar­durchmusterungen suchen nicht nach so langen Perioden, so dass wir keine Ahnung haben, wie viele dieser Quellen es insgesamt geben könnte. In diesem Fall war die Quelle hell genug, dass wir die einzelnen Pulse mit dem MeerTRAP-Instrument am MeerKAT nachweisen konnten“, ergänzt sie.  Der neu entdeckte Neutronenstern erhielt den Namen PSR J0901-4046 und weist Merkmale von Pulsaren, von (ultra­lang­periodischen) Magnetaren und sogar von schnellen Radiobursts auf. Während die ausgestrahlte Radioenergie auf einen Pulsar hinweist, erinnern die Pulse mit chaotischen Subpuls-Komponenten und die Polarisation der Pulse an Magnetare.

Obwohl die Spinperiode von PSR J0901-4046 mit einem weißen Zwerg übereinstimmen könnte, sehen die Wissenschaftler keine Unterstützung für diese Annahme bei unterschiedlichen Wellenlängen. Es ist derzeit unklar, wie lange diese Quelle bereits im Radio emittiert. Sie wurde zwar in einem gut untersuchten Teil der Milchstraße entdeckt, doch wird bei Radio­durchmusterungen normalerweise nicht nach so langen Perioden oder Impulsen gesucht, die länger als ein paar Dutzend Millisekunden dauern.

„Die Radioemission dieses Neutronensterns ist anders als alles, was wir bisher gesehen haben“, erklärt Ben Stappers von der Universität Manchester, der Leiter des MeerTRAP-Projekts. „Wir können ihn etwa 300 Millisekunden lang beobachten, was viel länger ist als bei den meisten anderen Neutronensternen, die Radiostrahlung aussenden. Es scheint mindestens sieben verschiedene Pulsarten zu geben, von denen einige eine stark periodische Struktur aufweisen, die als seismische Schwingungen des Neutronensterns gedeutet werden könnten. Diese Pulse könnten uns wichtige Einblicke in die Art des Emissions­mechanismus dieser Quellen geben.“

„Die Empfindlichkeit des MeerKAT-Teleskops kombiniert mit der ausgefeilten Suche im Rahmen des MeerTRAP-Projekts und der Fähigkeit, simultane Bilder des Himmels aufzunehmen, hat diese Entdeckung möglich gemacht. Selbst dann brauchte man noch die Augen eines Adlers, um zu erkennen, dass es sich um eine echte Quelle handelte, weil sie so ungewöhnlich aussah“, sagt Ian Heywood vom ThunderKAT-Team und der Universität Oxford, der an dieser Untersuchung beteiligt war.

Die Entdeckung ähnlicher Quellen ist eine große Herausforderung für die Beobachtung, was bedeutet, dass es möglicherweise eine größere unentdeckte Population von Radioquellen gibt, die darauf wartet, entdeckt zu werden. Diese neue Entdeckung erweitert die Möglichkeit der Existenz einer neuen Klasse von Radiotransienten, den ultralangperiodischen Neutronensternen, und deutet auf einen möglichen Zusammenhang mit der Entwicklung von hoch­magnetisierten Neutronen­sternen, ultra­lang­periodischen Magnetaren und schnellen Radio­strahlungs­ausbrüchen (FRBs) hin.

Diese Entdeckung wurde in Zusammen­arbeit mit Kollegen am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gemacht. Das MPIfR hat eine hochentwickelte Rechenanlage entworfen, konstruiert und installiert, die es ermöglicht, den synthetisierten Strahl des MeerKAT-Arrays in viele hundert verschiedene Pixel zu unterteilen, die parallel analysiert werden. Ewan Barr, der diese Entwicklung leitete, erklärt: „Interferometer sind großartig, um Bilder zu machen. Mit ihnen nach Pulsaren oder schnellen Transienten zu suchen, ist nicht trivial. Unsere Hard- und Software hat MeerKAT in eine effektive Maschine zur Suche nach Pulsaren und Transienten verwandelt“. Weiwei Chen, Mitautor der Studie, stimmt dem zu: „Es ist großartig zu sehen, wie unsere Arbeit sich mit MeerTRAP ergänzt und wie unsere Kollegen es optimal nutzen.“

Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungs­abteilung „Radio­astronomische Fundamental­physik“, fasst zusammen: „Wir sind glücklich, Teil dieser sehr spannenden Entdeckung zu sein. Sie sagt uns viel über die Beziehung zwischen Pulsaren und Magnetaren, und sie war möglich, weil MeerTRAP in hervorragender Weise Synergien zwischen Bildgebung und Pulsar­suche mit dem MeerKAT-Teleskop schafft. Ich frage mich, wie viele außergewöhnliche Pulsare es noch gibt, die auf ihre Entdeckung warten!“

MPIfR / DE

 

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