Ein Universum im Computer
Magneticum Pathfinder-Projekt liefert bislang größte hydrodynamische Simulation des Universums.
Die weltweit aufwändigste kosmologische Simulation der Entwicklung unseres Universums haben Astrophysiker der Ludwig-Maximilians-Universität München gemeinsam mit Experten des Rechenzentrums C2PAP des Exzellenzclusters Universe und des Leibniz-Rechenzentrums realisiert. Diese bislang größte Simulation des „Magneticum Pathfinder“-Projekts verfolgt über Milliarden von Jahren die Entwicklung einer Rekordzahl von 180 Milliarden Raumelementen in einem bisher nicht erreichten Raumbereich von 12,5 Milliarden Lichtjahren Ausdehnung. Zum ersten Mal ist eine solche hydrodynamische Simulation damit groß genug, um sie direkt mit großräumigen astronomischen Vermessungen des Universums zu vergleichen.
Abb.: Magneticum Pathfinder Simulationen: Zoom in die Details der großräumigen Verteilung der sichtbaren Materie im Universum. Der linke Streifen zeigt vertikal einen Bereich von 12,5 Mrd. Lichtjahren. (Bild: K. Dolag, LMU / www.magneticum.org)
Der Urknall markiert in der modernen Kosmologie den Beginn unseres Universums und leitet die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit vor rund 13,8 Milliarden Jahren ein. Seither haben sich die heute sichtbaren Strukturen des Kosmos entwickelt: Milliarden von Galaxien, in denen Gas, Staub, Sterne und Planeten durch die Schwerkraft gebunden sind und in deren Zentren superschwere Schwarze Löcher sitzen. Wie aber konnten sich diese – sichtbaren – Strukturen aus den Startbedingungen des Universums formen?
Ein Team von theoretischen Astrophysikern der LMU unter Leitung von Klaus Dolag hat nun innerhalb des Magneticum Pathfinder-Projekts eine neue, weltweit einzigartige hydrodynamische Simulation der großräumigen Verteilung der sichtbaren Materie unseres Universums durchgeführt. In ihr sind die aktuellen Erkenntnisse der Kosmologie über die drei kosmischen Bestandteile des Universums – die Dunkle Energie, die Dunkle Materie und die sichtbare Materie – eingeflossen.
Dabei haben die Wissenschaftler in ihren Berechnungen eine Vielzahl von physikalischen Prozessen berücksichtigt, darunter drei, die als besonders wichtig für die Entwicklung des sichtbaren Universums gelten: die Kondensation von Materie zu Sternen, deren weitere Entwicklung, bei der durch Sternwinde und Sternexplosionen die umgebende Materie aufgeheizt und mit chemischen Elementen angereichert wird, sowie die Entwicklung von superschweren Schwarzen Löchern, die gewaltige Mengen an Energie abgeben.
Insgesamt umfasst diese Simulation den Raumbereich eines Würfels mit Kantenlängen von 12,5 Milliarden Lichtjahren. Dieser unvorstellbar große und in einer Simulation bisher nicht erreichte Ausschnitt des Universums wurde am Computer in eine bis dahin ebenfalls unerreichte Anzahl von 180 Milliarden Auflösungselementen aufgeteilt, von denen jedes einzelne die detaillierten Eigenschaften des Universums an dieser Stelle repräsentiert und ungefähr 500 Byte an Informationen enthält.
Diese zahlreichen Merkmale machen es erstmals möglich, eine kosmologische Simulation detailliert mit umfangreichen astronomischen Vermessungen unseres Universums zu vergleichen. „Das war bislang kaum möglich, weil anspruchsvolle kosmologische Simulationen viel zu klein waren, um sie Beobachtungen von Weltraumteleskopen wie Hubble oder Planck gegenüberzustellen, die große Teile unseres sichtbaren Universums durchmustern und abbilden“, sagt Klaus Dolag. „Magneticum Pathfinder markiert daher den Beginn einer neuen Ära in der computergestützten Kosmologie.“
Diesem Erfolg gingen rund zehnjährige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten voraus, die von den Experten des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften begleitet wurden, einem der leistungsfähigsten wissenschaftlichen Rechenzentren Europas. „Eine der größten Herausforderungen bei einem so komplexen Problem ist es, den Simulations-Code zu optimieren und gleichzeitig die astrophysikalische Modellierung voranzutreiben“, erklärt Klaus Dolag. „Während der Code permanent an sich ändernde Technologien und neue Hardware angepasst werden muss, müssen die zugrunde liegenden Modelle verbessert und bessere oder zusätzliche Beschreibungen derjenigen physikalischen Prozessen eingebaut werden, die unser sichtbares Universum geformt haben.“
Die konkrete Realisierung dieser größten Simulation innerhalb des Magneticum Pathfinder-Projekts dauerte zwei Jahre. Dabei wurde die Wissenschaftlergruppe um Klaus Dolag zusätzlich von Physikern des Rechenzentrums C2PAP unterstützt, das vom Exzellenzcluster Universe betrieben wird und am LRZ angesiedelt ist. Im Rahmen von mehreren einwöchigen Workshops bekam das Magneticum Pathfinder-Team in den vergangenen Jahren die Gelegenheit, den gesamten Höchstleistungsrechner SuperMUC des LRZ nutzen. „Ich kenne kein Rechenzentrum, das mir den gesamten Rechner für so lange Zeit zur Verfügung gestellt hätte“, so Klaus Dolag.
Insgesamt beanspruchte die Magneticum Pathfinder-Simulation alle 86.016 Rechenkerne sowie den kompletten für Anwender nutzbaren Hauptspeicher – 155 von insgesamt 194 Terabyte – der kürzlich in Betrieb genommenen Ausbaustufe „Phase 2“ des SuperMUC. Die gesamte Simulationsrechnung benötigte insgesamt 25 Millionen CPU-Stunden und erzeugte 320 Terabyte an wissenschaftlichen Daten.
Diese Daten stehen nun weltweit interessierten Wissenschaftlern zur Verfügung. Die Münchner Astrophysiker sind bereits mit weitergehenden Projekten beschäftigt: Unter anderem arbeitet Klaus Dolag derzeit mit einem Wissenschaftlerteam der Planck-Kollaboration zusammen, um Beobachtungen des Planck-Satelliten mit den Berechnungen von Magneticum Pathfinder zu vergleichen.
Excellence Cluster Universe / DE