22.03.2022

Ein Zwergstern als perfekter Teilchenbeschleuniger

Schockwelle bei Nova scheint Teilchenbeschleunigung am theoretischen Limit zu erreichen.

Mit Spezialteleskopen haben Forscher so detailliert in einen kosmischen Teilchen­beschleuniger geblickt wie nie zuvor. Die Beobachtungen mit dem Gamma­strahlen-Observatorium H.E.S.S. in Namibia zeigen erstmals den zeitlichen Ablauf des Beschleunigungs­prozesses in einer Nova, bei starken Eruptionen auf der Oberfläche eines Weißen Zwergsterns. Dabei entsteht eine Schockwelle, die sich durch das Umgebungs­medium pflügt, subatomare Teilchen mitreißt und diese auf extreme Energien beschleunigt. Erstaunlicher­weise scheint die beobachtete Nova RS Ophiuchi aufgrund idealer Voraussetzungen Teilchen­beschleunigung am theoretischen Limit zu bewerkstelligen.

 

Abb.: Künstlerische Darstellung des Systems von Weißem Zwerg und Rotem Riesen...
Abb.: Künstlerische Darstellung des Systems von Weißem Zwerg und Rotem Riesen nach einer Nova-Explosion: Stern­material wird von der Oberfläche des Weißen Zwergs (Bildmitte) geschleudert und in der Schockwellen­front werden Teilchen beschleunigt. (Bild: Sci. Commun. Lab, DESY / H.E.S.S.)

Weiße Zwerge sind ausgebrannte, alte Sterne, die in sich zusammen­gefallen sind und sehr kompakte Objekte bilden. Novae entstehen zum Beispiel, wenn ein Weißer Zwerg mit einem großen Stern in einem Doppelsystem kreist und aufgrund seiner Gravitation Materie von seinem massiven Begleiter aufsammelt. Überschreitet die aufgesammelte Masse eine kritische Grenze, kommt es zu einer thermo­nuklearen Explosion auf der Oberfläche des Weißen Zwergs. Manche Novae treten in regelmäßigen Abständen immer wieder auf. RS Ophiuchi ist eine solche wiederkehrende Nova; alle fünfzehn bis zwanzig Jahre gibt es eine Explosion auf der Sternoberfläche. „Die Sterne, die das System bilden, haben in etwa den gleichen Abstand wie Erde und Sonne“, erklärt Alison Mitchell, Wissenschaftlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Leiterin des H.E.S.S.-Nova-Programms. „Als die Nova im August 2021 wieder explodierte, konnten wir mit den H.E.S.S.-Teleskopen zum ersten Mal eine galaktische Explosion in sehr hochenergetischer Gammastrahlung beobachten.“

Dabei registrierte die Forschungsgruppe, dass die Teilchen auf mehrere hundertmal höhere Energien beschleunigt wurden als bei zuvor beobachteten Novae. Außerdem wurde die von der Explosion freigesetzte Energie höchst effizient in die Beschleunigung von Protonen und schwereren Kerne umgewandelt. Dabei erreichte die Teilchen­beschleunigung die Maximalgeschwindigkeiten, wie sie in theoretischen Modellen berechnet werden. „Die Beobachtung, dass in kosmischen Schockwellen in der Realität das theoretische Limit der Teilchenbeschleunigung erreicht werden kann, hat enorme Auswirkungen für die Astrophysik“, sagt Ruslan Konno, einer der Hauptautoren der Studie und Doktorand bei DESY in Zeuthen. „Sie legt nahe, dass der Beschleunigungs­prozess genauso effizient bei noch viel extremeren kosmischen Explosionen – den Supernovae – sein könnte.“

Bei der Eruption von RS Ophiuchi konnten die Wissenschaftler die Nova in Echtzeit mitverfolgen und so zum ersten Mal die kosmische Teilchenbeschleunigung wie einen Film beobachten und studieren. H.E.S.S. konnte höchst­energetische Gammastrahlen noch bis zu einen Monat nach der Explosion messen. „Diese Art der Beobachtung ist neu und erlaubt in Zukunft noch genauere Einblicke in die Funktionsweise kosmischer Explosionen“, sagt Dmitry Khangulyan, Theoretiker an der Rikkyo Universität in Tokyo, Japan. „So könnte es zum Beispiel sein, dass Novae zur allgegenwärtigen kosmischen Strahlung beitragen und damit die Dynamik ihrer unmittelbaren Umgebung wesentlich beeinflussen.“ Bei der kosmischen Strahlung handelt es sich um einen Hagel energiereicher subatomarer Teilchen, der aus allen Richtungen des Weltalls gleichmäßig kommt, und dessen genaue Ursprünge noch nicht vollständig geklärt sind.

Das Observatorium H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) in Namibia besteht aus fünf Cherenkov-Teleskopen, die zur Untersuchung von Gammastrahlung aus dem Weltraum eingesetzt werden. Im größten Teleskop wurde eine neue, hoch­sensible Kamera installiert, eine FlashCam, die dem neusten Stand der Technik entspricht. Solche FlashCams werden derzeit auch für das Gamma­strahlen-Observatorium der nächsten Generation weiterentwickelt, das Cherenkov Telescope Array (CTA). „Die neue Kamera ist seit Ende 2019 in Betrieb. Diese Messung zeigt, welches Potenzial in den Kameras der neuesten Generation steckt“, betont Simon Steinmaßl, Doktorand am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, der mit der Analyse der Kameradaten betraut ist.

Die Teleskope wurden schnellstmöglich auf die Nova ausgerichtet, nachdem das Ereignis von einem Hobbyastronomen gemeldet wurde. Auch diese schnelle Reaktion trug zum Erfolg der Beobachtung bei und ermöglichte umfangreiche Nach­beobachtungen. „In den nächsten Jahren wird sich durch Forschung mit CTA-Teleskopen zeigen, ob diese Art von Novae besonders sind“, erklärt H.E.S.S.-Direktor Stefan Wagner, Professor an der Landes­sternwarte in Heidelberg. Zudem wissen Beobachter nun genauer, wonach sie suchen müssen. Somit ergeben sich eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten, die Geschehnisse im Zusammenhang mit Novae besser zu verstehen und beschreiben, betont Wagner. „Diese Messung stellt einen weiteren Erfolg in der Gamma­astronomie dar und lässt uns hoffen, noch viele weitere kosmische Explosionen mit H.E.S.S. und zukünftigen Gammastahlen-Teleskopen zu studieren.“

DESY / DE

 

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