Eine Brücke zur Quantenwelt
Mechanische Schnittstelle könnte künftig Quantencomputer miteinander verbinden.
Forschern am IST Austria ist es gelungen, mit einem mechanischen Oszillator verschränkte Strahlung zu erzeugen. Ihre Methode könnte sich als äußerst nützlich erweisen, um Quantencomputer miteinander zu verbinden. „Stellen Sie sich eine Box mit zwei Ausgängen vor. Sind die Ausgänge verschränkt, kann man die Strahlung, die aus dem einem austritt, durch Beobachten des anderen charakterisieren“, erklärt Team-Mitglied Shabir Barzanjeh. Verschränkte Strahlung konnte bereits zuvor erzeugt werden, aber Barzanjeh und seine Kollegen verwendeten dafür zum ersten Mal ein mechanisches Objekt. Mit einer Länge von dreißig Mikrometern und einer Gesamtzahl von etwa einer Billion Atomen mag der von der Gruppe erzeugte Siliziumbalken klein erscheinen, für die Quantenwelt ist er jedoch riesig.
„Für mich war dieses Experiment auf einer sehr grundlegenden Ebene interessant“, sagt Barzanjeh. „Die Frage, die wir uns gestellt haben, war: Kann man mit einem so großen System verschränkte Strahlung erzeugen? Jetzt wissen wir, die Antwort lautet: Ja.“ Das Gerät hat aber auch praktischen Wert. Mechanische Oszillatoren könnten als Schnittstelle zwischen den äußerst empfindlichen, kalten Quantencomputern und den Signalen in optischen Fasern dienen, die diese innerhalb und außerhalb von Rechenzentren verbinden sollen. „Was wir gebaut haben, ist ein Prototyp für eine Quantenschnittstelle", sagt Barzanjeh.
In supraleitenden Quantencomputern funktioniert die Elektronik nur bei extrem niedrigen Temperaturen von wenigen tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt, denn Quantencomputer arbeiten auf der Basis von Mikrowellenphotonen, die extrem empfindlich gegenüber Rauschen und Verlusten sind. Steigt die Temperatur im Computer, werden alle Informationen zerstört. Daher ist es derzeit fast unmöglich, Informationen von einem Quantencomputer auf einen anderen zu übertragen, denn die Information müsste eine heiße Umgebung durchqueren.
Klassische Computer in Netzwerken werden dagegen meist über optische Glasfaserleitungen verbunden, da optische Strahlung sehr robust gegen Störungen ist. Um diese erfolgreiche Technologie auch für Quantencomputer nutzen zu können, müsste eine Verbindung geschaffen werden, die die Mikrowellenphotonen des Quantencomputers in optische Informationsträger umwandeln kann ̶ oder ein Gerät, das verschränkte Mikrowellen und optische Felder als Grundlage für eine Quantenteleportation erzeugt. Eine solche Verbindung würde als Brücke zwischen dem optischen System auf Raumtemperatur und der eiskalten Quantenwelt dienen. Das von Barzanjeh und seinen Kollegen entwickelte Gerät ist ein Schritt in diese Richtung. „Der Oszillator, den wir gebaut haben, hat uns einem Quanten-Internet einen Schritt näher gebracht", freut sich der Forscher.
Das ist jedoch nicht die einzig mögliche Anwendung des Geräts. „Unser System könnte auch eingesetzt werden, um die Leistung von Gravitationswellendetektoren zu verbessern", erklärt Barzanjeh. Und Gruppenleiter Johannes Fink fügt hinzu: „Es hat sich herausgestellt, dass die Beobachtung solcher stationär verschränkten Felder impliziert, dass der mechanische Oszillator, der sie erzeugt, ein Quantenobjekt sein muss. Das gilt für jede Art von Mediator, wobei er dabei nicht direkt gemessen werden muss. Unser Messprinzip könnte daher in Zukunft dazu beitragen, die potenzielle Quantennatur anderer schwer untersuchbarer Systeme wie die lebender Organismen oder des Gravitationsfelds zu verifizieren beziehungsweise zu falsifizieren.“
IST / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Barzanjeh et al.: Stationary entangled radiation from micromechanical motion, Nature 570, 480 (2019); DOI: 10.1038/s41586-019-1320-2 - Quantum Integrated Devices (J. Fink), Physical Sciences, Institute of Science and Technology Austria, Klosterneuburg, Österreich