15.05.2024

Eine Funkverbindung mit Atomen

Quantenfunken eröffnen Einblicke in Vorgänge, die auf Längenskalen einzelner Atome und auf Zeitskalen von weniger als einer Billionstel Sekunde ablaufen.

In den 1880er Jahren entdeckte Heinrich Hertz, dass ein Funke, der zwischen zwei Metallkugeln überspringt, einen Lichtblitz aussendet – also schnell schwingende elektromagnetische Wellen. Diese können anschließend von einer Antenne empfangen werden. In Anerkennung dieser bahnbrechenden Arbeit wurde die Einheit der Frequenz 1930 nach Hertz benannt. Guglielmo Marconi nutzte später diese Entdeckungen, um Informationen über große Entfernungen zu übertragen. Das führte zur Entstehung der Funkkommunikation und revolutionierte die drahtlose Telegrafie, die bis heute die moderne Welt prägt. Wissenschaftler der Universität Regensburg haben jetzt erfolgreich eine Quantenversion des Hertzschen Funkens beobachtet, der zwischen zwei Atomen springt.

Abb.: Zwischen dem vordersten Atom einer scharfen Spitze und einer Probe...
Abb.: Zwischen dem vordersten Atom einer scharfen Spitze und einer Probe fließt ein ultraschneller Tunnelstrom als Reaktion auf ein einfallendes elektromagnetisches Feld. Dieser atomar begrenzte Strom führt zur Emission von Licht.
Quelle: B. Baxley

Sie schafften es, das Oszillogramm des von ihm ausgesandten Lichts mit einer zeitlichen Präzision zu messen, die schneller ist als ein einzelner Schwingungszyklus der Lichtwelle. Dieses Signal könnte nicht nur als neuartiger Kommunikationskanal mit der Quantenwelt für die Entwicklung superschneller Quantentechnologien von entscheidender Bedeutung sein. Damit lässt sich zudem ein lange gehegter Traum realisieren: atomare Ortsauflösung mit optischer Mikroskopie. Der Quantenfunken eröffnet damit Einblicke in Vorgänge, die auf Längenskalen einzelner Atome und auf Zeitskalen von weniger als einer Billionstel Sekunde ablaufen.

Das Forschungsteam fokussierte dazu Licht in den winzigen Spalt zwischen einer atomar scharfen Spitze und einer Probenoberfläche, also den Nahfeldbereich. Dabei wurde der Spalt mit subatomarer Präzision nur wenige Atome groß gehalten. In der klassischen Physik, in der man sich Elektronen als winzige geladene Teilchen vorstellt, können Elektronen diesen Spalt nicht überqueren. Der atomar kleine Abstand zwischen Spitze und Probe offenbart jedoch die quantenmechanische Natur der Teilchen: ihr wellenartiges Verhalten.

Der größte Teil der Elektronenwelle befindet sich in der Spitze, ein kleiner Teil findet sich allerdings auch auf der anderen Seite des Spalts in der Probe. Dieser kontraintuitive, quantenmechanische Welle-Teilchen-Dualismus manifestiert sich in einem experimentell messbaren Strom von Elektronen, die durch den winzigen Spalt tunneln. Nun wird dieser Prozess mit Hilfe von Lichtwellen, den schnellsten kontrollierbaren elektrischen Wechselfeldern, auf extrem kurzen Zeitskalen getrieben. Das oszillierende elektrische Feld des Lichts bewegt die tunnelnden Elektronen zwischen dem vordersten Atom der Spitze und der Probe hin und her und erzeugt so die Quantenversion des Hertzschen Funkens.

„Die Hertzsche Emission von einer Handvoll Elektronen pro Schwingungszyklus des Lichts nachzuweisen, klang zunächst wie Mission Impossible“, sagt Tom Siday von der Uni Regensburg. „Stellen Sie sich unsere Überraschung vor, als wir trotzdem ein deutlich messbares Signal entdeckten – alles dank der extrem stabilen Spitze, die als Antenne fungiert und diese Welle von der atomaren Skala überträgt.“ Die Forscher tauften die neue Technik „Nahfeld-optische Tunnelemissionsmikroskopie“ (englisch: „Near-Field Optical Tunnelling Emission“, NOTE). Dank dieser Entdeckung kann man Materiewellen auf atomaren Längenskalen in Zeitlupe fließen sehen.

Möglich wurde der Durchbruch dank eines einzigartigen ultraschnellen optischen Mikroskops, das die Ortsauflösung eines hochmodernen Rastersondenmikroskops mit einer rein optischen Signalmessung kombiniert. „Elektronik ist phänomenal empfindlich, aber zu langsam, um die Schwingungen des Stroms im lichtwellengetriebenen Quantenfunken direkt zu verfolgen. Deshalb muss man die Schwingungen des emittierten Lichts direkt beobachten“, erklärt Rupert Huber von der Uni Regensburg.

„Die Geburtsstunde von NOTE schlug, als wir zeigen konnten, dass die ein- und auslaufenden Lichtwellen um ein Viertel der Oszillationsperiode zeitlich verschoben waren – in unserem Experiment nur ein Viertel einer Billionstel Sekunde!“, ergänzt sein Kollege Johannes Hayes. „Wir mussten sicherstellen, dass unser gesamter optischer Aufbau stabil genug ist, um solch winzige Veränderungen messen zu können und, dass wir absolute Kontrolle über das oszillierende Lichtfeld haben.“

„Die Antennenspitze muss immer auf demselben Atom bleiben, selbst inmitten des intensiven Fokus starker Lichtimpulse – und das in einem Abstand von weniger als einem Zehntausendstel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Nur die stabilsten experimentellen Bedingungen sind gerade gut genug“, fasst Felix Schiegl, ein weiteres Mitglied des Teams, zusammen.

Die Entschlüsselung des NOTE-Signals ist nach wie vor eine Herausforderung. Es reicht nicht, nur die beiden Atome zu betrachten, zwischen denen der Quantenfunke überspringt, da die Dynamik stark von der Umgebung beeinflusst wird. Team-Mitglied Jan Wilhelm nutzte einen Supercomputer, um die Quantenantwort von 1010 Atomen zu simulieren. Er konnte die charakteristische Zeitverschiebung des NOTE-Signals reproduzieren und erste Einblicke in den lichtwellengetriebenen Quantenfluss von Elektronen und die Verzerrung von Atomorbitalen gewinnen.

NOTE ermöglichte bereits jetzt völlig neue Einblicke in die Quantenbewegung von Elektronen. „Elektronen, die von der Spitze zur Probe wandern und dann wieder zurückkehren, sind für elektronische Messungen völlig unsichtbar, nicht aber für NOTE“, erklärt Yaroslav Gerasimenko von der Uni Regensburg. „Die Elektronen müssen nur in der unmittelbaren Nähe der Spitze bleiben, bis das elektrische Feld des Lichts seine Richtung ändert, um zurückkehren zu können.“ Durch die Untersuchung eines atomar dünnen Isolators erhielten die Forscher einen ersten Einblick in diese ultraschnellen Materieströme. Damit kann bislang unsichtbare Dynamik auf atomarer Ebene und in isolierenden Schichten, die in der Elektronik und Photovoltaik allgegenwärtig sind, erstmals untersucht werden.

Ebenso wie die revolutionären Entdeckungen von Heinrich Hertz vor über einem Jahrhundert, eröffnet NOTE einen neuen Kommunikationskanal, nur dieses Mal per Funk zum Nanokosmos. Dadurch erreicht optische Mikroskopie erstmals atomare Orts- und Subzyklen-Zeitauflösung – mit völlig neuen Möglichkeiten für die Grundlagenforschung: Ultraschnelle Tunnelströme beobachten zu können, ist erst der Anfang. Als nächstes wollen sich die Forscher ansehen, wie extrem starke elektromagnetische Felder mit einzelnen Atomen und Molekülen interagieren. Die neu zugängliche Elementardynamik von Elektronen in Quantenmaterialien dürfte überdies entscheidend für die Datenverarbeitung und Datenspeicherung von morgen werden.

U. Regensburg / RK

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