13.02.2014

Eine Heizung für Dunkle Materie

Gravitative Wechselwirkung mit Gasströmen in Galaxien könnte die Verteilung Dunkler Materie erklären.

In der Kosmologie hat derzeit das ΛCDM-Modell Konjunktur. Λ steht für die Dunkle Energie, die für die beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich ist. CDM bezeichnet die Kalte Dunkle Materie, die den größten Anteil der Materie im Kosmos ausmacht, mit unserer gewöhnlichen Materie aber nur gravitativ wechselwirkt. Zwar gibt es derzeit keine experimentell belegte Theorie für die mögliche Natur der Dunklen Materie – und bei der Dunklen Energie sieht es noch deutlich schwieriger aus. Die großräumigen Strukturen im Universum, von der Rotationsgeschwindigkeit und Sternenverteilung in einzelnen Galaxien bis hin zu ganzen Galaxienhaufen, lassen sich aber fast nur mit Hilfe Dunkler Materie erklären; und auch die Ablenkung des Lichtes ferner Galaxien deutet auf die Existenz Dunkler Materie hin.

Abb.: Bei intensiver Sternbildung werden große Mengen Gas in Bewegung gesetzt. Dies kann die Verteilung Dunkler Materie beeinflussen. (Bild: A. Pontzen & F. Governato)

Einige Beobachtungen schienen aber nicht in dieses Muster zu passen und ließen das ΛCDM-Modell fragwürdig erscheinen. So vermuteten Kosmologen, dass sich im Zentrum von Galaxien im Laufe der Zeit auch die Dunkle Materie anhäufen sollte – analog zur Verklumpung der großräumigen kosmischen Strukturen. Messungen der Massendichte in Galaxien wiesen jedoch darauf hin, dass sich die Dunkle Materie nicht in einer Art und Weise in einem zentralen Bulge sammelt, wie es aufwändige Simulationen der Galaxienentwicklung vorhersagen.

Ein Effekt, der bei vielen Simulationen unzureichend berücksichtigt ist, könnte das ΛCDM-Modell jedoch vor Angriffen aus dieser Richtung wappnen. Andrew Pontzen vom Imperial College London und Fabio Governato von der University of Washington in Seattle haben untersucht, welche Rückwirkung Materieströme in Galaxien auf die Verteilung Dunkler Materie ausüben können. Vor allem in Regionen starker Sternentstehung werden riesige Gas- und Molekülwolken beschleunigt. Die bei solchen Starbursts freiwerdenden Energiemengen entsprechen durchaus der Bindungsenergie von Galaxien.

Die Materieströme können die Dunkle Materie gravitativ mitreißen und dadurch deren kinetische Energie erhöhen. Bei diesem Prozess flacht sich die Verteilung der Dunklen Materie ab, was die gemessenen Profile erklären könnte. Selbst wenn die Geschwindigkeit der ausströmenden Gaswolken nicht ausreicht, um das galaktische Schwerefeld zu verlassen, und die Gaswolken folglich wieder in die Galaxie zurückströmen, bleibt dieser Effekt bestehen. Denn da die Schwerkraft mit der Entfernung abnimmt, ist der Mitreißeffekt stärker. Dieser Prozess kann sich auch mehrfach wiederholen.

Damit scheinen die auf dem Standardmodell der Kosmologie basierenden Simulationen doch zu den Beobachtungen zu passen. Noch ist die Rechenkraft heutiger Supercomputer aber zu klein, um von der Sternentstehung bis hin zur Galaxienentwicklung solche über viele Größenordnungen rückgekoppelten System präzise simulieren zu können.

Dirk Eidemüller

PH

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