08.01.2017

Eine längere Geschichte der Zeit

Stephen Hawking feiert seinen 75. Geburtstag und ist immer noch aktiv in Öffentlichkeit und Forschung.

Mit einer schier ausweglosen Situation sah sich Stephen Hawking 1962 konfrontiert, als Ärzte bei ihm myotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostizierten und ihm nur noch zwei Jahre zu leben gaben. Doch entgegen dieser düsteren Aussicht kann Stephen Hawking am 8. Januar seinen 75. Geburtstag feiern.

Trotz der fortschreitenden Muskelschwäche, die ihm rasch ein normales Leben unmöglich machte, widmete sich Hawking unbeirrt weiter seinen Forschungen in Gravitationstheorie und Kosmologie. Bekannt wurde er vor allem mit seinen Theorien zu Schwarzen Löchern, in denen er zeigen konnte, dass diese Strahlung abgeben können („Hawking-Strahlung“) und eine endliche, wenn auch extrem große Lebensdauer haben. Mit Schwarzen Löchern befasst sich Hawking bis heute, zuletzt im Juni 2016 in einer Publikation mit dem eigenwilligen Titel „Weiche Haare auf Schwarzen Löchern“.

Ihr Ausgangspunkt ist Hawkings Arbeit von 1976, in der er zeigte, dass Information bei der Entstehung eines Schwarzen Loches verloren geht: Da sich dieses vollständig durch die drei Parameter Masse, Drehimpuls und elektrische Ladung beschreiben lässt, sollten alle anderen Eigenschaften der Materie, die zum Schwarzen Loch kollabierte, verloren gehen. Salopp spricht man davon, dass Schwarze Löcher „keine Haare haben“. Hawking folgerte, dass diese „Haarlosigkeit“ uns der Möglichkeit berauben würde, das Universum mit deterministischen Gesetzen zu beschreiben.

In seiner aktuellen Arbeit zusammen mit seinem Kollegen Malcolm Perry, der ebenfalls an der Universität Cambridge arbeitet, und Andrew Strominger von der Harvard-Universität, stellt Hawking grundlegende Annahmen seiner Arbeit von 1976 in Frage: So geht er nun davon aus, dass es nicht ein einzigartiges Vakuum in der Quantentheorie gibt, sondern eine unendliche Familie entarteter Vakua. Außerdem zeigen die Autoren, dass am Ereignishorizont eines Schwarzen Loches Photonen von extrem niedriger Energie entstehen können, die sie als „weiche Haare“ bezeichnen.

Diese Erkenntnisse lösen das Informationsproblem bei Schwarzen Löcher noch nicht, bilden aber den Ausgangspunkt weiterer Bemühungen von Hawking und seinen Mitstreitern. Auf dem Preprint-Server arXive haben sie bereits eine neue Arbeit veröffentlicht. Auch wenn diese Untersuchungen weit entfernt von jeder empirischen Bestätigung sind, ist es faszinierend, dass Hawking trotz seiner wachsenden gesundheitlichen Schwierigkeiten immer noch aktiv an der physikalischen Forschung teilnimmt. Durch sein Schicksal ist Hawking zum „Popstar“ der Physik geworden, dessen Leben zuletzt sogar in Hollywood verfilmt wurde. Sein Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ ist nach wie vor einer der erfolgreichsten populärwissenschaftlichen Besteller der letzten drei Jahrzehnte. Mit seiner Tochter Lucy hat Hawking zudem drei erfolgreiche Bücher für Kinder und Jugendliche verfasst.

Stephen Hawking ist Mitglied der exklusiven Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und traf am 28. November 2016 Papst Franziskus (Foto: L'Osservatore Romano)


Hawking nimmt auch weiterhin Anteil am Weltgeschehen, etwa indem er auf Persönlichkeiten wie US-Präsident Obama oder Papst Franziskus trifft. Auch gehört er zu den öffentlichen Kritikern des Brexit und thematisierte im Dezember 2016 in einem Meinungsbeitrag in der britischen Tageszeitung „The Guardian“ die Ungleichheit in der Welt und ging der Frage nach, welche Konsequenzen die Eliten in Politik, Kultur und Wissenschaft daraus ziehen müssen.

Trotz aller gesundheitlichen Herausforderungen kommt bei Hawking der Spaß nicht zu kurz. Nicht nur, dass er 2007 einen Parabelflug wagte oder Gastauftritte in Fernsehserien wie „Star Trek“ oder „The Big Bang Theory“ hatte, mittlerweile kann er auch eine eigene Plattenaufnahme vorweisen: Die Version des „Galaxy Song“ der britischen Comedy-Truppe Monty Python mit Hawkings charakteristischer Computerstimme ist 2015 als Vinyl-Single und digitaler Download veröffentlicht worden.

Hawkings 75. Geburtstag wird Anfang Juli durch eine internationale Konferenz in Cambridge gewürdigt, die den aktuellen Fortschritten in der Gravitationsphysik, Kosmologie und insbesondere dem Nachweis von Gravitationswellen gewidmet ist.

Alexander Pawlak

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