Wissenschaftler vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) haben die erste refraktive Linse entwickelt, die extrem ultraviolette Strahlen fokussiert. Anstelle von Glaslinsen, die im extrem ultravioletten Bereich undurchsichtig sind, haben sie eine Linse genutzt, die aus einem Jet von Atomen besteht. Hierdurch bieten sich zukünftig neue Möglichkeiten, um beispielsweise biologische Strukturen auf kürzesten Zeitskalen abzubilden und somit besser zu verstehen.
Abb.: Fokussierung eines XUV-Lichtstrahls durch einen Jet aus Atomen, der als Linse dient. (Bild: O. Kornilov , L. Drescher)
Mit der Entdeckung von Bereichen des elektromagnetischen Spektrums wie der ultravioletten und Röntgenstrahlung wurden refraktive Linsen entwickelt, die an diese spektralen Bereiche genau angepasst sind. Elektromagnetische Strahlung im extrem ultravioletten (XUV) Bereich ist jedoch speziell. Sie umfasst den Wellenlängenbereich zwischen der UV- und Röntgenstrahlung – aber im Gegensatz zu diesen beiden Strahlungsbereichen kann sie sich nur im Vakuum oder in stark verdünnten Gasen bewegen.
Heutzutage wird XUV-Strahlung bei der Lithographie für Halbleiter genutzt wie auch in der Grundlagenforschung, um die Struktur und die Dynamik von Materie zu verstehen und zu kontrollieren. Sie ermöglicht Lichtpulse im Attosekundenbereich – dies sind die kürzesten Lichtpulse, die derzeit erzeugbar sind. Aber trotz der großen Zahl an XUV-Quellen und -Anwendungen gab es bislang keine XUV-Linsen. Der Grund hierfür ist, dass die XUV-Strahlung stark von festem oder flüssigem Material absorbiert wird und sich somit nicht durch konventionelle Linsen bewegen kann.
Um die XUV-Strahlung zu fokussieren, hat das Wissenschaftlerteam am MBI einen neuen Ansatz gewählt: Sie ersetzten eine Glaslinse mit einem Jet von Atomen aus dem Edelgas Helium. Diese Linse profitiert von der hohen Durchlässigkeit des Heliums im XUV-Spektralbereich. Zur gleichen Zeit kann sie präzise kontrolliert werden, da sich die Dichte des Gases im Jet ändern lässt. Dies ist wichtig, um die Brennweite einzustellen und die Größe der fokussierten XUV-Strahlung zu minimieren.
Verglichen mit gekrümmten Spiegeln, die häufig zum Fokussieren von XUV-Strahlung genutzt werden, haben diese gasförmigen refraktiven Linsen einige Vorteile: Eine neue Linse wird beständig durch den Fluss an Atomen im Jet gebildet, so dass Beschädigungen kein Problem darstellen. Weiterhin geht – anders als bei einem typischen Spiegel – durch die Gaslinse kaum XUV-Strahlung verloren. „Dies ist die wichtigste Verbesserung, weil die Erzeugung von XUV-Strahlen komplex und oft sehr teuer ist“, erklärt Bernd Schütte, Wissenschaftler am MBI und Mitautor der Publikation. In ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler weiterhin gezeigt, dass ein Jet von Atomen als ein Prisma dienen kann, das die XUV-Strahlung in seine Spektralkomponenten zerlegt.
Die Entwicklung von Linsen und Prismen im gasförmigen Zustand ermöglicht den Transfer optischer Techniken, die auf Brechung beruhen, auf den XUV-Bereich. Diese Techniken haben im sichtbaren sowie Infrarot-Bereich des elektromagnetischen Spektrums ein breites Einsatzgebiet. Gaslinsen könnten beispielsweise dazu dienen, ein XUV-Mikroskop zu entwickeln oder XUV-Strahlen auf einen Punkt in Nanometergröße zu fokussieren. Dies könnte zukünftig dabei helfen, strukturelle Veränderungen von Biomolekülen auf kürzesten Zeitskalen zu beobachten.
FVB / DE