Eine Nanomaschine mit Rückwärtsgang
Wissenschaftler aus Göttingen und Israel entdecken mittels Fluoreszenzmikroskopie neue Eigenschaft von Motorproteinen.
Bestimmte Enzyme, die bei der Zellteilung für den Transport von Chromosomen zuständig sind, können sowohl ihre Geschwindigkeit als auch ihre Laufrichtung ändern. Das haben Wissenschaftler des DFG-Forschungszentrums und Exzellenzclusters „Molekularphysiologie des Gehirns“ an der Universität Göttingen sowie der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel herausgefunden. Die Forscher widerlegten damit die bisherige Annahme, dass jedes dieser sogenannten Motorproteine auf eine bestimmte Laufrichtung vorprogrammiert sei. Die neuen Erkenntnisse lassen die Nanometer-großen „Bio“-Maschinen weit leistungsfähiger und vielseitiger erscheinen als bislang vermutet.
Abb.: Ausschnitte aus einem Video, das die Bewegung eines einzelnen Motorproteins (grün) auf einem Mikrotubulus (rot) in Richtung dessen Minusende (gelb) zeigt. (Bild: U. Göttingen)
Die Zellteilung ist ein zentraler Vorgang bei der Entwicklung von Organismen. Während der „normalen“ Zellteilung werden die zuvor verdoppelten Chromosomen der Mutterzelle auf die Tochterzellen verteilt. Dieser genau regulierte Prozess wird angetrieben durch spezialisierte Enzyme. Bisher glaubte man, dass diese Motorproteine fest programmiert sind und sich auf molekularen Schienen nur in eine bestimmte Laufrichtung bewegen können – wobei ein Typ von Motor eine Bewegung in Richtung der Zellränder erzeugt, ein anderer in Richtung Zellmitte.
In Bierhefezellen konnten die Wissenschaftler nun nachweisen, dass ein und derselbe Zellteilungsmotor sowohl in die eine als auch in die andere Richtung laufen kann, in Richtung der Zellränder sogar bis zu zehn Mal schneller als andere bekannte Mitglieder dieser Enzym-Familie. Die Forscher in Göttingen und Israel nutzten bei ihrer Arbeit hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie, mit der sie einzelne Moleküle sowohl in den Hefezellen als auch in einer künstlichen Umgebung beobachten konnten.
„Ein detailliertes Verständnis biologischer Motoren während der Zellteilung ist wichtig sowohl für die elementare Zellbiologie als auch für die Krebsforschung und für die biologisch inspirierte Nanotechnologie“, erläutert Christoph Schmidt vom III. Physikalischen Institut der Universität Göttingen. „Ein besonders interessanter Aspekt unserer Ergebnisse ist die Tatsache, dass die bipolaren Motoren genau in dem Moment in den langsamen Vorwärtsgang schalten, in dem sie helfen, die Chromosomen auseinanderzuschieben.“
U. Göttingen
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