25.02.2019

Eine Uhr für ultrakurze Prozesse

Zeitdifferenzen lassen sich mit der Methode des Attosekunden-Streaking bestimmen.

Einen wichtigen Beitrag zur Messung ultrakurzer atomarer Vorgänge haben Physiker am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik geliefert. Zugrunde liegt die Methode des Attosekunden-Streaking von Photoionisation, welche Zeitdifferenzen in messbare Geschwindigkeitsunterschiede der Photoelektronen übersetzt. Zur Anwendung erfordert dies aber eine Korrektur aufgrund der elektrischen Wechselwirkung des Elektrons mit dem Ion. Verschiedene theoretische Modelle hierfür konnten die Heidelberger Forscher nun experimentell testen und bestätigen.

Abb.: Geschwindigkeit der Elektronen aus einer Photoionisation von Neon durch...
Abb.: Geschwindigkeit der Elektronen aus einer Photoionisation von Neon durch einen ultrakurzen UV-Laserpuls, moduliert durch den Streaking-Laser. (Bild: MPIK)

Welche Rolle spielt die Zeit in der Quantenphysik? Das ist eine fundamentale Frage. In die mathematische Beschreibung geht sie lediglich als ein Parameter ein, sie ist also keine echte Messgröße. Dennoch gibt es Ansätze, zeitabhängige Vorgänge im Mikrokosmos theoretisch und experimentell zu erfassen. In der klassischen Physik kann jedem Objekt ein genauer Ort und Bewegungszustand zugeordnet werden, was eine Zeitmessung über Start- und Stoppereignisse erlaubt. In der Quantenmechanik besteht eine grundsätzliche Orts- und Bewegungsunschärfe und einzelne sich bewegende Teilchen, wie etwa Elektronen, werden durch Wellenpakete beschrieben.

Ein Bild kann dies verdeutlichen: Zwei Kugeln starten gleichzeitig eine Bewegung, wobei eine sich gleichförmig auf einer Ebene bewegt. Die andere wird aus einer Mulde herausgekickt und zwar dergestalt, dass sie am Ende die gleiche Geschwindigkeit wie die erste Kugel erhält. Da sie hierfür innerhalb der Mulde schneller laufen muss, eilt sie am Ende der ersten Kugel voraus. Dieser Vorsprung sagt etwas über die Form der Mulde aus. Betrachtet man nun Wellenpakete, so kann deren Maximum zeitlich verfolgt werden und die dieser Bewegung zugeordnete Zeit wird in der Quantenmechanik „Eisenbud-Wigner-Smith-Zeit“ – kurz EWS-Zeit – genannt.

Ein wichtiger Prozess dieser Art ist die Photoionisation. Ein Photon trifft auf ein Atom und schlägt ein Elektron aus dem gebundenen Zustand heraus. Es wird bis heute kontrovers diskutiert, wieviel Zeit dieser Prozess braucht und ob dies messbar ist. Für die Messung derart ultraschneller Vorgänge verwenden Forscher seit einigen Jahren erfolgreich die Methode des „Attosekunden-Streaking“. Dem ionisierenden Ultraviolett-Laserblitz wird ein zweiter langwelliger Laserpuls zeitlich variabel überlagert, dessen Wellenform genau kontrollierbar ist. Das Photoelektron erfährt nun je nach Zeitpunkt seiner Freisetzung im Laserfeld eine Beschleunigung oder Verzögerung. Die Messung seiner Geschwindigkeit erlaubt somit einen Rückschluss auf die zeitliche Verschiebung gegenüber dem auslösenden UV-Laserpuls.

Im Prinzip wäre somit die EWS-Zeit direkt zugänglich, allerdings sind noch zwei Effekte zu berücksichtigen: Zum einen spürt das herauslaufende Elektron die elektrische Anziehung des zurückbleibenden positiv geladenen Ions, zum anderen beeinflusst auch das Streaking-Laserfeld die Bewegung des Elektrons, was beides bei einer Coulomb-Laser-Kopplung zu zusätzlichen Zeitdifferenzen führt. Diese müssen sehr genau bekannt sein, um die EWS-Zeit zu ermitteln. Genau an diesem Punkt setzen die neuen Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Robert Moshammer aus der Abteilung Quantendynamik und -kontrolle am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik an.

„Die Theorie erlaubt eine universelle Behandlung der Coulomb-Laser-Kopplung“, so Robert Moshammer. „Einerseits erscheint das Ion bei großen Abständen wie eine Punktladung, d. h. von außen sehen alle Ionen bei bekannter Ladung gleich aus, die EWS-Zeit hingegen wird allein durch die innere Struktur des Atoms bzw. Ions bestimmt.“ Ferner sagt die Theorie aus, dass nur die Wellenlänge des Streaking-Lasers, nicht aber dessen Intensität eine Rolle spielt.

Den Heidelberger Physikern ging es daher um einen Test der Coulomb-Laser-Kopplung. Diese ist umso stärker, je größer die Wellenlänge des Streaking-Lasers und je langsamer die Photoelektronen sind. Hierzu haben sie die Photoionisation von Neon am Freie-Elektronen-Laser FLASH in Hamburg untersucht und für das Streaking langwellige Terahertz-Laserpulse verwendet. Zur Messung der Geschwindigkeit der Photoelektronen diente ein Reaktionsmikroskop. Es lassen sich drei Ionisationskanäle unterscheiden: Ionisation aus den atomaren Zuständen 2p und 2s mit recht schnellen Photoelektronen, sowie recht langsame Elektronen, die beim Weg aus dem Neon-Atom durch interne Kollision mit einem anderen Elektron einen zusätzlichen Energieverlust erleiden. Die Modulation der Elektronengeschwindigkeit durch den Streaking-Laser in Abhängigkeit vom variablen Zeitversatz gegenüber dem ionisierenden UV-Puls ist deutlich zu erkennen. Durch Auswahl verschiedener Geschwindigkeitsklassen der langsamen Photoelektronen konnten die Physiker die Zeitdifferenz gegenüber dem Streaking der 2p-Photoelektronen bestimmen.

Für die gewählte Terahertz-Strahlung dominiert die Coulomb-Laser-Wechselwirkung, die deutlich kürzeren EWS-Zeiten sind nicht aufgelöst. Die so ermittelten Zeitdifferenzen stimmen gut mit verschiedenen theoretischen Modellen überein und bestätigen das gegenwärtige Verständnis der Laser-Coulomb-Kopplung. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Auswertung und Deutung von Experimenten mit Attosekunden-Streaking, indem dort die bestimmbaren Zeitdifferenzen um den theoretisch bekannten Beitrag der Coulomb-Laser-Kopplung korrigiert werden können.

MPIK / JOL

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