Einer kommt runter, drei gehen rauf
Die dritte Earth-Explorer-Mission der ESA endete in einem Feuerball – die vierte steht in den Startlöchern.
Die Form des europäischen Erderkunders GOCE, des Gravity-field and steady-state Ocean Circulation Explorers, erinnert mehr an ein Raumschiff aus einem Sciencefiction-Film, als an einen typischen Satelliten mit kompaktem Rumpf und Solarzellenauslegern. Der Grund dafür: Um eine möglichst hohe Genauigkeit bei den Messungen zu erzielen, lag GOCEs Orbit so niedrig, wie bei noch keinem anderen wissenschaftlichen Raumfahrzeug vor ihm. Trotz seines geringen Querschnitts und seiner aerodynamischen Form benötigte GOCE kleine Raketen, um den Einfluss der Restatmosphäre in 250 Kilometern Höhe auszugleichen. Die Xenon-Ionentriebwerke lieferten einen Schub von einem bis zu zwanzig Millinewton Schub. Der Treibstoff reichte nicht nur für die Primärmission, die nach dem Start im März 2009 rund drei Jahre dauerte, sondern auch noch für ein gutes Jahr Verlängerung. Doch am 21. Oktober war der Tank leer und GOCE kreiste seinem feurigen Ende entgegen.
Abb.: Die torpedoförmige Hülle von GOCE war auf einer Seite mit Solarzellen verkleidet, diese wandte er immer der Sonne zu. (Bild: ESA / AOES Medialab)
Da die genaue Sinkrate auch vom Weltraumwetter abhängt, das die Ausdehnung der Erdatmosphäre und damit den Luftwiederstand im Orbit beeinflusst, war der unkontrollierte Wiedereintritt zunächst nur grob vorherzusagen. Anfang November stieg die Abbremsung bereits an auf das Vierfache des maximalen Triebwerksschubs und führte bei der Masse des Fahrzeugs von grob einer Tonne zu Sinkraten von einigen Kilometern pro Tag. In der Nacht zum 11. November (MEZ) verglühte GOCE schließlich in einer Höhe von rund achtzig Kilometern über dem Südatlantik, nahe der Falkland-Inseln.
Seine wissenschaftlichen Ziele hatte der Satellit bis dahin längst erreicht. Mit seinem Gravitationsgradiometer aus sechs Beschleunigungssensoren erreichte er eine Genauigkeit von bis zu 10-12 m/s2. Bei bekannter Umlaufbahn lässt sich damit das Erdschwerefeld lückenlos und mit hoher räumlicher Auflösung vermessen. So erhalten die Forscher nicht nur das Geoid als Topographie der Kontinente und Meeresböden, sondern auch Informationen über die Strömungen der Ozeane. Das Höhenprofil ist dabei bis auf zwei Zentimeter genau und die Messungen von Flugbahnänderungen so präzise, dass der Satellit die Dichtewellen in der Atmosphäre nach dem Thoku-Erdbeben vor der japanischen Küste und dem nachfolgenden Tsunami am 11. März 2011 registrieren konnte. Keiner Mission zuvor war etwas ähnliches gelungen.
Animation: Einfluss der Atmosphäre auf die Flugbahn von GOCE (Video: ESA)
Während die Auswertung der Daten weitergeht, unter anderem am GOCE-Projektbüro Deutschland am Institut für Astronomische und Physikalische Geodäsie der TU München, steht die nächste Mission des „Living Planet“-Programms der europäischen Weltraumorganisation ESA kurz vor dem Start: Die drei identischen Satelliten von Swarm (englisch für Schwarm) sind bereits in der Nutzlasthülle ihrer russischen Trägerrakete untergebracht und warten – eine Woche verzögert – auf den Start am 22. November. Auf ihren rund 500 Kilometer hohen polaren Umlaufbahn sollen sie Stärke, Orientierung und zeitliche Veränderung des Erdmagnetfelds vermessen. Das Swarm-Projektbüro ist am deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam angesiedelt, das auch schon die erfolgreiche Vorgängermission CHAMP von 2000 bis 2010 geleitet hatte.
Oliver Dreissigacker