08.10.2019

Eingegrenzte Suche nach dunkler Materie

Atomspektroskopie könnte Kopplung von Cäsium-Dampf an ein Feld aus Dunkle-Materie-Teilchen zeigen.

Die Suche nach dunkler Materie ist eine der spannendsten Heraus­forderungen der Grundlagen­physik des 21. Jahrhunderts. Die Forscher wissen seit Langem, dass es sie geben muss, denn ohne sie lassen sich viele astro­physikalische Beobachtungen nicht erklären. Beispielsweise bewegen sich die Sterne weit schneller, als sie es tun dürften, wenn nur normale Materie existieren würde. Insgesamt macht die uns bekannte sichtbare Materie nur maximal zwanzig Prozent der gesamten Materie im Universum aus – während ganze achtzig Prozent der dunklen Materie zuzurechnen sind. „Es steht sinnbildlich ein großer Elefant im Raum – und wir sehen ihn nicht“, sagt Dmitry Budker, Wissenschaftler am Exzellenz­cluster PRISMA der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und am Helmholtz-Institut Mainz (HIM).

Abb.: Experi­menteller Aufbau zur Atom­spektro­skopie mit Cäsium-Dampf....
Abb.: Experi­menteller Aufbau zur Atom­spektro­skopie mit Cäsium-Dampf. (Bild: D. Antypas)

Bisher weiß jedoch niemand, woraus die dunkle Materie besteht. In der Fachwelt wird eine ganze Reihe möglicher Teilchen, die als Kandidaten theoretisch in Frage kommen, diskutiert und erforscht. Als einer der vielver­sprechenden Kandidaten gelten heute extrem leichte bosonische Teilchen. „Diese können wir auch als klassisches Feld ansehen, das mit einer bestimmten Frequenz oszilliert. Wie groß diese – und demzufolge die Masse der Teilchen – ist, wissen wir aber nicht“, so Budker. „Unsere Grundannahme ist, dass dieses Dunkle-Materie-Feld an die sichtbare Materie ankoppelt und dabei bestimmte, eigentlich konstante Eigen­schaften der Atome sehr subtil verändert.“

Mit seiner Mainzer Arbeits­gruppe hat Budker nun eine neue Methode entwickelt, die auf der Atomspektroskopie an einem Dampf aus Cäsium-Atomen beruht. Die Atome lassen sich mit Laserlicht einer ganz bestimmten Wellenlänge anregen. Diese Wellenlänge sollte sich minimal verändern, sobald der Cäsium-Dampf an ein Feld aus Dunkle-Materie-Teilchen ankoppelt. „Grund­sätzlich liegt unserer Arbeit immer ein spezielles theo­retisches Modell zugrunde, dessen Hypothesen wir experimentell überprüfen“, sagt Dionysis Antypas. „Hier arbeiten wir mit dem Relaxion-Modell, das unsere Kollegen am Weizmann Institut in Israel entwickelt haben.“ Die Relaxion-Theorie besagt, dass es in der Nähe großer Massen wie der Erde einen Bereich geben muss, in dem die Dichte an dunkler Materie größer und demzufolge die Kopplungs­effekte einfacher zu beobachten und aufzuspüren sind.

Mit ihrer neuen Methode haben die Wissen­schaftler jetzt einen bisher unerforschten Frequenz­bereich zugänglich gemacht, in dem sich im Rahmen der Relaxion-Theorie die Auswirkungen bestimmter Formen der dunklen Materie auf die atomaren Eigenschaften des Cäsium verhältnismäßig deutlich zeigen sollten. Auch erlauben die Ergebnisse den Forschern, neue Ein­schränkungen in Bezug auf die Natur dieser dunklen Materie zu formulieren. Wobei Dmitry Budker die akribische Spurensuche gern mit dem Bild des Tigers in der Wüste veran­schaulicht. „In dem Frequenzbereich, den wir in unserer aktuellen Arbeit durchsucht haben, hat sich die dunkle Materie bisher nicht zu erkennen gegeben – aber immerhin wissen wir nun, nachdem wir diesen Bereich durchkämmt haben, dass wir dort nicht weiter­suchen müssen.“ Übertragen auf den Tiger bedeutet das, dass die Forscher zwar immer noch nicht wissen, in welchem Teil der Wüste der Tiger ist, aber sehr wohl, in welchem Teil er nicht ist. „So grenzen wir den Teil der Wüste, in dem der Tiger sein kann, immer weiter ein. Und irgendwann werden wir ihn auf diese Weise finden“, ist Budker überzeugt.

JGU Mainz / JOL

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