16.12.2010

Einzelatomspektren für Graphen

Mit dem Elektronenmikroskop lässt sich feststellen, wie viele Bindungen die einzelnen Kohlenstoffatome am Rand einer Graphenschicht eingehen.

Einzelatomspektren für Graphen


Mit dem Elektronenmikroskop lässt sich feststellen, wie viele Bindungen die einzelnen Kohlenstoffatome am Rand einer Graphenschicht eingehen.

Elektronenmikroskope haben eine lange Geschichte. Das erste bauten Ernst Ruska und Max Knoll 1931 in Berlin. Ruska erhielt dafür 1986 den Physik-Nobelpreis. Heutige Transmissionselektronenmikroskope lösen atomare Details von weniger als 0,1 nm Größe auf. Anhand des Energieverlusts, den die Elektronen bei ihren Zusammenstößen mit einem bestimmten Atom erleiden, kann man herausfinden, um welches chemische Element es sich handelt und welche chemischen Bindungen das Atom eingeht. Das zeigen Experimente am japanischen Forschungsinstitut AIST in Tsukuba.

Mit einem Transmissionselektronenmikroskop haben Kazu Suenaga und Masanori Koshino einzelne Graphenflocken abgerastert, die aus bis zu vier Lagen von Kohlenstoffatomen bestanden. Dabei nutzten sie die Dunkelfeldmikroskopie: Eine ringförmigen Blende hielt den von der Flocke nicht abgelenkten Teil des Elektronenstrahls auf und ließ nur die gestreuten Elektronen durch. Auf den mikroskopischen Aufnahmen erschien deshalb eine Flocke umso heller je größer die Zahl ihrer Atomlagen war, durch die die Elektronen abgelenkt wurden.

Eine Flocke mit einer Atomlage untersuchten die Forscher genauer. Auf dem elektronenmikroskopischen Bild, das eine Auflösung von etwa 0,1 nm hatte, konnten sie die in einem hexagonalen Gitter angeordneten Kohlenstoffatome einzeln erkennen, da deren Abstand 0,14 nm betrug. Besonderes Augenmerk richteten sie auf den Rand der Flocke, an dem Atome saßen, die nur mit ein oder zwei Nachbaratomen chemisch gebunden waren statt mit drei, wie in der Graphenschicht üblich. Durch die Bestrahlung mit den Elektronen wurde die Flocke vom Rand her langsam abgetragen. Mit 60 keV war die Energie der Elektronen zu klein, um die fest gebundenen Atome aus der Mitte der Flocke herauszuschlagen. Die locker sitzenden Randatome wurden aber von den Elektronen in Bewegung gesetzt.

Die Strahlelektronen, mit denen die Graphenflocke abgebildet wurde, verloren beim Zusammenprall mit den Atomen Energie, da sie deren Elektronenhüllen anregten. Für Elektronenenergien in der Nähe der Röntgenabsorptionskante des Kohlenstoffs unterhalb von 295 eV schlugen die heranfliegenden Elektronen die 1s-Elektronen der Kohlenstoffatome heraus und verloren die dabei aufgewendete Energie. Wurde die Intensität der Strahlelektronen in Abhängigkeit von ihrem Energieverlust aufgetragen, so zeigte dieses Verlustspektrum neben der Röntgenkante noch weitere charakteristische Strukturen bei geringfügig niedrigeren Energien. Diese Peaks enthielten Informationen über die Energien der Valenzelektronen der Kohlenstoffatome.

In früheren Experimenten hatten Suenaga und seine Kollegen die Verlustspektren der Strahlelektronen dazu benutzt, um einerseits einzelne, in Fullerenen eingeschlossene Fremdatome zu identifizieren, und um andererseits die Bindungszustände an den übereinanderliegenden Kanten einer Graphendoppelschicht zu bestimmen. In ihrem neuen Experiment haben sie beides zugleich gemacht: einzelne Atome identifiziert und ihre Bindungszustände ermittelt. Dazu haben sie entlang einer geraden Linie, die vom Rand einer Graphenflocke zu ihrem Innern führte, die Verlustspektren von acht aufeinander folgenden Kohlenstoffatomen aufgenommen.

 

Abb.: Der Elektronenstrahl trifft das Randatom (rot) und wird von ihm inelastisch gestreut. Aus dem Verlustspektrum der Elektronen kann man ersehen, ob das Atom (rot, blau oder grün) mit an einen, zwei oder drei Nachbarn chemisch gebunden ist. (Quelle: Masanori Koshino)

Für jedes der Atome zeigte das Verlustspektrum der Elektronen einen auffälligen Peak, dessen Energie davon abhing, wie viele Bindungen das jeweilige Atom mit seinen Nachbaratomen hatte. Die Energie und Intensität des Elektronenstrahls war so gewählt, dass man auch für die beweglichen Randatome ein aussagekräftiges Verlustspektrum erhielt, bevor sie sich unter der Wirkung des Strahls davonbewegen konnten. Für das achte Kohlenstoffatom, das 1,5 nm vom Rand der Graphenflocke entfernt war, zeigte das Verlustspektrum keinen Einfluss des Randes mehr: Es hatte die Form, die man für ein Atom in einer perfekten Graphenschicht erwartet. Computersimulationen bestätigten die Interpretation der Messergebnisse.

  

In Übrigen fanden die Forscher keinerlei Hinweis darauf, dass die Kohlenstoffatome am Flockenrand, die ein oder zwei freie Valenzen besaßen, Bindungen mit Sauerstoffatomen eingegangen wären. Dies widerspricht der gängigen Erwartung, dass der Rand einer Graphenschicht von OH- oder COOH-Gruppen gebildet wird. Da der Elektronenstrahl jedoch fortwährend Randatome entfernt, liegen stets saubere Randstrukturen vor, in denen die Atome ungesättigte Valenzen haben.

Mit ihrem Verfahren können die japanischen Forscher also nicht nur einzelne Atome identifizieren, sondern auch herausfinden, welche chemischen Bindungen sie eingegangen sind. Auf diese Weise könnte man ein auf einer Oberfläche sitzendes Molekül Atom für Atom und Bindung für Bindung anhand der Verlustspektren identifizieren. Um die in den Spektren enthaltene Information auswerten zu können, müsste man aber noch umfangreiche Berechnungen und Messungen an bekannten Bindungen durchführen.

RAINER SCHARF

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