Elektronen mit negativer Masse in Halbleiter-Nanostrukturen
Überraschender Effekt könnte neuartige elektronische Bauelemente ermöglichen.
Die effektive Masse von Elektronen bestimmt sich durch die Zusammensetzung des Materials, in dem sie sich bewegen. Diese Masse wirkt sich direkt auf die elektronischen Eigenschaften eines Materials aus. Bewegt sich ein Elektron durch einen Stoff hindurch, kommt es regelmäßig zu Kollisionen. Solche Stöße führen bei positiver Masse zu einer Verlangsamung der Bewegung. Ein Elektron negativer Masse dagegen verliert dabei zwar auch Energie, wird aber beschleunigt. Diesen Effekt hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Kai-Qiang Lin und John Lupton von der Uni Regensburg jetzt erstmals in neuartigen Halbleiter-Nanostrukturen gemessen.
Die Wissenschaftler verwendeten ein atomar dickes Blatt des Kristalls Wolframdiselenid. Wird das Material mit einem Laser bestrahlt, so beginnt es rot zu leuchten: Elektronen nehmen die Energie des Lasers auf und geben diese wieder ab. Die Farbe entspricht dabei der fundamentalen Energie der Elektronen im Halbleiter. Man erwartet, dass Elektronen mit höherer Energie stets diese niedrigere Grundenergie einnehmen und der Halbleiter somit immer rot erscheint.
Das Team hat jedoch einen überraschenden Effekt beobachtet. Unter Bestrahlung mit einem roten Laser geben die Elektronen nicht nur rotes Licht ab, sondern auch blaues. Rotes Licht niedriger Energie wird also in blaues Licht mit höherer Energie umgewandelt. Durch eine genaue Betrachtung des Lichtspektrums folgerten die Forscher, dass das blaue Leuchten von Elektronen mit negativer Masse herrührt. Diese verblüffende experimentelle Erkenntnis konnte mit detaillierten quantenmechanischen Rechnungen der elektronischen Bandstruktur, die in dieser Form erstmalig durchgeführt wurden, belegt werden.
Zunächst einmal ist diese Beobachtung nur ein wissenschaftliches Kuriosum, doch den Wissenschaftlern schweben bereits etliche Anwendungsmöglichkeiten vor. So könnte das Konzept zur Entwicklung superschneller Computer, deren Elektronen sich nahezu widerstandsfrei bewegen, beitragen. Außerdem sollte es aufgrund der Tatsache, dass die Elektronen im Halbleiter scheinbar diskrete Energiezustände einnehmen, möglich sein, Konzepte der atomaren Quantenoptik direkt auf den Halbleiter zu übertragen. Damit könnten neue elektronische Bauelemente entwickelt werden, welche die Lichtwellenlänge konvertieren, Licht speichern oder gar verstärken, oder auch als optische Schalter fungieren.
U. Regensburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
K.-Q. Lin et al.: Narrow-band high-lying excitons with negative-mass electrons in monolayer WSe2, Nat. Commun. 12, 5500 (2021); DOI: 10.1038/s41467-021-25499-2 - Organic Semiconductors, Optical Nanostructures (J. Lupton), Institut für experimentelle und angewandte Physik, Universität Regensburg