17.09.2021 • Materialwissenschaften

Elektronen mit negativer Masse in Halbleiter-Nanostrukturen

Überraschender Effekt könnte neuartige elektronische Bauelemente ermöglichen.

Die effektive Masse von Elektronen bestimmt sich durch die Zusammen­setzung des Materials, in dem sie sich bewegen. Diese Masse wirkt sich direkt auf die elektro­nischen Eigen­schaften eines Materials aus. Bewegt sich ein Elektron durch einen Stoff hindurch, kommt es regel­mäßig zu Kolli­sionen. Solche Stöße führen bei positiver Masse zu einer Verlang­samung der Bewegung. Ein Elektron negativer Masse dagegen verliert dabei zwar auch Energie, wird aber beschleunigt. Diesen Effekt hat ein inter­natio­nales Forschungs­team unter der Leitung von Kai-Qiang Lin und John Lupton von der Uni Regensburg jetzt erstmals in neu­artigen Halb­leiter-Nano­strukturen gemessen.

Abb.: Ein roter Laser­strahl fällt auf den atomar dünnen Kristall. Dabei...
Abb.: Ein roter Laser­strahl fällt auf den atomar dünnen Kristall. Dabei wird das rote Licht des Lasers in ein blaues Leuchten um­ge­wandelt. (Bild: F. Hof­mann, U. Regens­burg)

Die Wissenschaftler verwendeten ein atomar dickes Blatt des Kristalls Wolfram­di­selenid. Wird das Material mit einem Laser bestrahlt, so beginnt es rot zu leuchten: Elektronen nehmen die Energie des Lasers auf und geben diese wieder ab. Die Farbe entspricht dabei der funda­men­talen Energie der Elektronen im Halb­leiter. Man erwartet, dass Elektronen mit höherer Energie stets diese niedrigere Grund­energie ein­nehmen und der Halb­leiter somit immer rot erscheint.

Das Team hat jedoch einen über­raschenden Effekt beobachtet. Unter Bestrah­lung mit einem roten Laser geben die Elektronen nicht nur rotes Licht ab, sondern auch blaues. Rotes Licht niedriger Energie wird also in blaues Licht mit höherer Energie umge­wandelt. Durch eine genaue Betrach­tung des Licht­spektrums folgerten die Forscher, dass das blaue Leuchten von Elektronen mit negativer Masse herrührt. Diese verblüffende experi­men­telle Erkenntnis konnte mit detail­lierten quanten­mecha­nischen Rechnungen der elektro­nischen Band­struktur, die in dieser Form erstmalig durch­ge­führt wurden, belegt werden.

Zunächst einmal ist diese Beobach­tung nur ein wissen­schaft­liches Kuriosum, doch den Wissen­schaftlern schweben bereits etliche Anwendungs­möglich­keiten vor. So könnte das Konzept zur Entwick­lung super­schneller Computer, deren Elektronen sich nahezu wider­stands­frei bewegen, beitragen. Außerdem sollte es aufgrund der Tatsache, dass die Elektronen im Halb­leiter scheinbar diskrete Energie­zustände einnehmen, möglich sein, Konzepte der atomaren Quanten­optik direkt auf den Halb­leiter zu über­tragen. Damit könnten neue elektro­nische Bau­elemente entwickelt werden, welche die Licht­wellen­länge konver­tieren, Licht speichern oder gar verstärken, oder auch als optische Schalter fungieren.

U. Regensburg / RK

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