Elektronen tanzen im Attosekunden-Takt
Untersuchungen am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik vermessen die Beteiligung doppelt angeregter Übergangszustände bei der Doppelionisation von Atomen in starken Laserfeldern.
Die Doppelionisation, also die Freisetzung zweier Elektronen, eines Atoms innerhalb eines ultrakurzen intensiven Laserimpulses entwickelte sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem intensiv bearbeiteten Gebiet der Atomphysik und Quantenoptik. Von besonderem Interesse ist dabei die Tatsache, dass – abgesehen vom Bereich sehr hoher Laserintensitäten – die Elektronen nicht schrittweise und unabhängig voneinander durch Feldionisation freigesetzt werden, sondern in einem korrelierten Prozess. Hierbei wird zunächst ein Elektron vom starken elektrischen Wechselfeld des Lasers aus dem Atom herausgerissen und dann hin- und hergetrieben, so dass es schließlich in einer Rekollision mit seinem „Mutterion“ ein weiteres Elektron herausschlagen kann. Dieser Mechanismus wurde in einer Vielzahl von Arbeiten experimentell und theoretisch untersucht und ist inzwischen recht gut verstanden.
Abb.: Doppelionisation von Argon-Atomen im starken Laserfeld. (a) Tunnelionisation des ersten Elektrons. (b) Rekollision und Bildung eines gebundenen doppelt angeregten Übergangszustands. (c) Zerfall des Übergangszustands durch Feldionisation. (Bild: MPIK)
Was aber geschieht, wenn bei kleineren Intensitäten die Energie des ersten Elektrons bei der Rekollision für den weiteren Ionisationsschritt nicht mehr ausreicht? Diese wie auch die Frage nach dem zeitlichen Ablauf solcher Prozesse haben nun Physiker um Robert Moshammer am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) in Zusammenarbeit mit Kollegen vom MPI für Quantenoptik untersucht.
Sie erforschten die Doppelionisation von Argon in ultrakurzen Infrarot-Laserimpulsen von wenigen Femtosekunden Dauer. Selbst wenn man nur die zwei aktiven Elektronen und den Ionenrumpf betrachtet, hat man hier ein Dreikörperproblem vor sich, das in der Theorie nur numerisch gelöst werden kann. Hinzu tritt die Wechselwirkung mit dem starken Laserfeld.
Im ersten Schritt tunnelt eines der Elektronen durch die Potentialbarriere des Ions heraus und wird anschließend vom Laserfeld beschleunigt und unter Energiegewinn zum Mutterion zurückgetrieben. Bei der betrachteten Laserintensität reicht die Energie allerdings nicht aus, um das zweite Elektron aus dem Potentialtopf herauszuheben. Es kann aber auf ein höheres Energieniveau angehoben werden, wobei das erste Elektron wieder vom Atom eingefangen wird und ebenfalls ein oberes Energieniveau besetzt.
Da zwei Elektronen beteiligt sind, spricht man auch von dielektronischer Rekombination. Solche doppelt angeregten Zustände sind zwar nur schwach gebunden, aber es ist dennoch nicht ganz einfach, daraus beide Elektronen zugleich freizusetzen, da sie sich gegenseitig durch ihre elektrische Abstoßung behindern. Oft fällt eines der Elektronen wieder in einen tieferen Zustand zurück, so dass nur eine einfache Ionisation erfolgt. Im betrachteten Fall half aber das Laserfeld, da die Elektronen sich frei über die Barriere bewegen konnten und nicht durch diese hindurch tunneln mussten.
„Wir haben uns gefragt, wie so ein doppelt angeregter Zustand als Dreikörpersystem im Laserfeld zerfällt und mit welchem zeitlichen Abstand die beiden Elektronen freigesetzt werden“, so Robert Moshammer. „Die Zeiten, um die es dabei geht, liegen im Bereich von Attosekunden und die Herausforderung liegt darin, so extrem kurze Vorgänge zu vermessen“.
Hierbei half den Forschern die Physik selbst, denn die Geschwindigkeit, die das Elektron durch Beschleunigung im Laserfeld erhielt, hing von der Feldstärke zum Zeitpunkt der Freisetzung ab. Die Geschwindigkeit der Elektronen wiederum ließ sich im Experiment mit einem Reaktionsmikroskop sehr genau bestimmen. Voraussgesetzt der Laserimpuls war so kurz ist, dass der ganze Vorgang innerhalb nur einer Schwingungsperiode des Laserfeldes abgeschlossen war, was bei Impulsen von 5 Femtosekunden Dauer auch erreicht wurde. Die Häufigkeit der gemessenen Geschwindigkeiten der beiden Elektronen lässt sich in einem Diagramm darstellen, worin der Abstand von der Diagonalen der Geschwindigkeitsdifferenz entspricht. Diese wiederum lässt sich in eine Zeitdifferenz übersetzen: Je größer der Abstand der Ereignisse von der Diagonalen umso größer ist die Zeit zwischen der Freisetzung der beiden Elektronen aus dem doppelt angeregten Zustand.
Abb.: Oben links: Bewegung der zu unterschiedlichen Zeiten freigesetzten Elektronen. Oben rechts: Gemessene Häufigkeitsverteilung der Elektronen-Geschwindigkeit. Unten: Theoretische Modellrechnung der Geschwindigkeitsverteilung für verschiedene Zeitdifferenzen. (Bild: MPIK)
Zum Vergleich mit den experimentellen Daten führten die Forscher Modellrechnungen durch. Sie behandelten die Elektronen darin wie klassische Teilchen. Diese für ein Quantensystem recht grob erscheinende Näherung ist für höher angeregte Zustände gerechtfertigt und lieferte brauchbare Ergebnisse. Die beste Übereinstimmung mit dem Experiment ergab sich für die Fälle, wo der zeitliche Abstand etwa 200 Attosekunden betrug. Zudem bestätigt dies die Existenz doppelt angeregter Übergangszustände, durch welche die Doppelionisation erfolgt.
MPIK / PH