06.06.2007

Elektronenbahnen sichtbar gemacht

Forscher aus Harvard haben für ein zweidimensionales Elektronengas sichtbar gemacht, wie Elektronenwellen in einem Magnetfeld von einer Elektrode zur anderen gelangen.



Forscher aus Harvard haben für ein zweidimensionales Elektronengas sichtbar gemacht, wie Elektronenwellen in einem Magnetfeld von einer Elektrode zur anderen gelangen.

Auf welchem Weg sich einzelne Elektronen durch ein Halbleiterbauelement bewegen, war bislang eher nebensächlich – solange die meisten Elektronen dahin kamen, wo sie hinsollten. Doch mit zunehmender Miniaturisierung wird es immer wichtiger, ob den Elektronen ein bestimmter Weg zur Verfügung steht oder etwa durch eine Störstelle blockiert ist. Darüber hinaus kann es in der Spintronik, die den Elektronenspin für Schaltvorgänge nutzen soll, darauf ankommen, welchen Weg ein Elektron einschlägt. Forscher von der Harvard Universität haben jetzt für ein zweidimensionales Elektronengas sichtbar gemacht, wie die Elektronenwellen in einem Magnetfeld von einer Elektrode zur anderen gelangen.

Das zweidimensionale Elektronengas stellten Robert Westervelt und seine Kollegen auf die übliche Weise mit einer Halbleiterheterostruktur her. In der Grenzfläche zwischen einer Galliumarsenidschicht und einer Schicht aus Aluminiumgalliumarsenid, die mit Silizium dotiert war, sammelten sich Elektronen an. Bei hinreichend tiefen Temperaturen war die Energie der Elektronen so niedrig, dass sie sich nur entlang der zweidimensionalen Grenzfläche bewegen konnten. Mit negativ geladen Elektroden, die elektrisch isoliert über der Grenzschicht lagen, ließ sich das Elektronengas aus den Bereichen unter den Elektroden herausdrängen. In früheren Experimenten – noch ohne Magnetfeld – hatten die Forscher auf diese Weise eine ca. 100 nm breite Verengung hergestellt, die die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode nur Anode passieren mussten.

Die Ausbreitung der Elektronenwellen durch die Verengung hatten die Forscher mit einem Rastersondenmikroskop sichtbar gemacht, das die auftreffenden Elektronenwellen reflektierte. Die Sonde war eine negativ geladene Spitze, die dicht über das Elektronengas bewegt wurde und dort einen elektronenfreien Fleck erzeugte. Da die Elektronenwellen an diesem Fleck abprallten, verringerte sich der durch die Verengung fließende Gesamtstrom. Die Abnahme des Gesamtstroms war proportional zum Teilstrom, der den Fleck getroffen hatte. So ließ sich Punkt für Punkt mit einer Auflösung von einigen Nanometern der Elektronenfluss aufzeichnen. Die Elektronen bewegten sich demnach in voneinander abgegrenzten Kanälen durch die Verengung, die durch Interferenzen moduliert waren. Die Zahl der Kanäle nahm von 1 auf 2 und schließlich auf 3 zu, wenn die Einschnürung breiter gemacht wurde. Entsprechend wuchs die Leitfähigkeit der Verengungsstelle schrittweise in Vielfachen von 2e 2/h an.

In einem Magnetfeld ließ sich die Bewegung der Elektronenwellen aber mit der reflektierenden Sonde nicht sichtbar machen, da die zurückgeworfenen Elektronen vom Magnetfeld umgelenkt wurden und doch noch zum Gesamtstrom beitragen konnten. Die Abnahme des Gesamtstroms gab deshalb keine Information über den auf die Sonde treffenden Teilstrom. Die Forscher haben deshalb ein neues Verfahren entwickelt. Dazu wurde die Sondenspitze nur schwach negativ aufgeladen, sodass sie das unter ihr befindliche Elektronengas nur teilweise verdrängte. Der sich ausbildende Sondenfleck wirkte auf die Elektronenwellen wie eine Linse, die sie nur geringfügig ablenkte und einen schwachen Schatten warf. Wenn der Schatten auf die Anode fiel, nahm der Gesamtstrom ab. Aus dieser Abnahme ließ sich wiederum der Teilstrom am Ort der Sonde ablesen.

Auf diese Weise machten die Forscher sichtbar, wie die Elektronenwellen von einem Magnetfeld fokussiert wurden, das senkrecht zur Ebene des Elektronengases stand. Die Elektronen traten durch eine etwa 500 nm breite Öffnung einer Barriere und wurden vom Magnetfeld auf kreisbogenförmigen Bahnen abgelenkt. Nachdem sie mehrfach an der Barriere reflektiert worden waren und sich dabei „hüpfend“ voranbewegt hatten, trafen sie auf eine zweite Öffnung, die etwa 3 µm von der ersten entfernt war. Mit ihrem Verfahren konnten die Forscher nicht nur bogenförmige Strukturen im Elektronenfluss sichtbar machen, die den klassischen Bahnen im Magnetfeld entsprachen. Sie sahen auch den Einfluss von Störstellen in den Halbleiterschichten, die die Elektronen elastisch ablenkten, ohne jedoch die Kohärenz der Elektronenwellen zu zerstören. Das war an den räumlich periodischen Modulationen des Elektronenflusses zu erkennen, die auf Interferenzen von Wellenpaketen zurückgingen, die sich auf benachbarten klassischen Bahnen bewegt hatten. Diese detaillierte Abbildung des Elektronenflusses eröffnet die Möglichkeit, ihn viel besser zu kontrollieren als bisher. Das könnte bei der weiteren Miniaturisierung der elektronischen Bauelemente und der Entwicklung der Spintronik von Nutzen sein.

Rainer Scharf

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