Elektronenstaus exakt berechnen
Bisherige Methode zur Berechnung eines bestimmten Isolationszustands liefert fehlerhafte Ergebnisse.
Viele Zweige der Theorie der kondensierten Materie konzentrieren sich auf die Phasen von Materialien oder auf Phasenvariationen bestimmter Stoffe. In phasenwechselnden Materialien können die verschiedenen Aggregatzustände durch Änderungen der Temperatur oder des Drucks erreicht werden. Das Übergangsmetall Dichalcogenid TaS₂ beispielsweises kann verschiedene Materialzustände annehmen, darunter den supraleitenden Zustand, den normalleitenden Zustand und einen Zustand mit isolierenden Eigenschaften. Die Debatte über seinen Tieftemperaturzustand dauert jedoch an, wobei viele Experimentalphysiker berichten, dass TaS₂ in der Tieftemperaturphase ein Isolator ist, Theoretiker aber behaupten, dass es sich in einem metallischen Zustand befinden muss.
Die Theorien der Quantenmechanik erklären, ob ein bestimmtes Material isolierend oder metallisch ist. Im quantenmechanischen Zustand eines Materials, wie zum Beispiel eines Diamanten, sind alle Elektronen fest an die Atome gebunden und haben keinen Weg, um auf andere Atome zu gelangen. Andererseits haben die Elektronen, wie die Leitungselektronen in Graphit, einen gut ausgebauten Weg, durch den die Ladung transportiert werden kann. Vor etwa achtzig Jahren fanden die Physiker Mott und Peierls heraus, dass es noch viele weitere subtile Gründe gibt, die das Material isolierend machen. So kann bei dem von Mott vorgeschlagenen Isolationsmechanismus die gut ausgebaute Bahn durch ungewöhnliche Elektron-Elektron-Korrelationen unterbrochen werden – anders als bei normalen Isolatoren wie Diamanten. Für den Tieftemperaturzustand von TaS₂ argumentieren viele Wissenschaftler, dass es sich um einen Isolator vom Mott-Typ handelt, während andere dagegen halten, dass es sich um ein Metall handeln muss.
In Mott-Isolatoren wird der Elektronentransport aufgehalten wie in einem Verkehrsstau. Dieses Phänomen ist im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie – einem mathematischen Verfahren, das sich mit der Quantenmechanik von Viel-Elektronen-Systemen beschäftigt – gut verstanden. Forscher kombinieren die DFT mit einem weiteren Parameter, dem Hubbard-Typ-U-Potenzial, um zu berechnen, wie der Stau im Elektronentransport entsteht.
Jetzt hat ein internationales Forscherteam jedoch herausgefunden, dass die Kombination von DFT und dem Hubbard-Typ-U-Potenzial leicht zu fehlerhaften Ergebnissen führen kann, insbesondere für die Ladungsdichte-Wellen-Phasen von phasenwechselnden Materialien wie 1T-TaS₂. Das Team entdeckte dieses Problem bei der genauen Untersuchung des mathematischen Verfahrens, welches dieser Methode zugrunde liegt.
„Wir wissen, dass der Ladungsdichte-Wellen-Phasen-Zustand in der Tieftemperaturphase die Rekonstruktion in einem hexagonalen Sternmuster erzeugt“, erklärt Dongbin Shin vom MPI für Struktur und Dynamik der Materie. „In diesem Zustand muss das Hubbard-Typ-U-Potenzial auf diesem Sternmuster untergebracht werden. Wir haben jedoch festgestellt, dass die Anwendung des U-Potentials auf den Atomplatz und nicht auf das Sternmuster zu einem erheblichen Fehler in der Berechnung des Mott-Isolationszustandes führt. Das ist signifikant für die korrekte Beschreibung der Coulomb-Wechselwirkung zwischen Ladungsdichte-Wellen-Phasen-Zuständen.“
Die Arbeit des Teams bietet nicht nur eine Lösung für das seit langem bestehende Problem des Mott-Isolationszustands von 1T-TaS₂, sondern schlägt auch den verallgemeinerten Hubbard-U-Potenzial-Ansatz vor, um den Mott-Isolator in der Ladungsdichte-Wellen-Phase zu beschreiben und die lokalisierte Coulomb-Wechselwirkung in molekularen Festkörpern zu korrigieren.
MPSD / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
D. Shin et al.: Identification of the Mott Insulating Charge Density Wave State in 1T-TaS₂, Phys. Rev. Lett. 126, 196406 (2021); DOI: 10.1103/PhysRevLett.126.196406 - Abt. Theorie, Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie, Hamburg