06.10.2015

Elektronentomographie mit 1000 fps

Schonendes Highspeed-Verfahren setzt neue Maß­stäbe für 3D-Auf­nahmen aus der Nano­welt.

Wissenschaftler des Ernst Ruska-Centrums am Forschungs­zentrum Jülich haben mit einem Trans­missions­elektronen­mikroskop rund 3500 Bilder in 3,5 Sekunden aufgenommen. Die Bildserie dient als Daten­basis für die tomo­graphische 3D-Rekons­truktion. Bislang waren zehn bis sechzig Minuten und die zehnfache Elektronen­strahl­dosis nötig, um entspre­chende Bildserien anzufertigen. Die schonende Aufnahme­technik eignet sich insbesondere zur Unter­suchung von biologischen Zellen, Bakterien und Viren. Deren Struktur wurde durch über­kritische Elektronen­strahl­dosen bisher oftmals geschädigt. Zudem ermöglicht es das Verfahren, dynamische Prozesse wie chemische Reaktionen oder elek­tronische Schalt­vorgänge in Echt­zeit und 3D mit Sub-Nano­meter-Präzision sichtbar zu machen.

Abb.: Elektronentomograpische 3D-Rekonstruktion eines Nanoröhrchens (orange) auf einer Kohlenstoff-Träger­schicht (blau; Bild: V. Migunov et al., / NPG; CC BY 4.0)

Die Elektronentomographie ist mit der Computer­tomographie verwandt, die aus der Forschung und dem klinischen Alltag mittler­weile nicht mehr wegzudenken ist. Elektronen­tomo­graphische Abbildungen sind allerdings deutlich trenn­schärfer als diejenigen röntgen­strahl­basierter Verfahren. Das Auflösungs­vermögen der Elektronen­tomographie ist das mit Abstand beste, das heute technisch möglich ist. Die Methode eignet sich daher auf einzigartige Weise, um etwa Viren und Bakterien nach Ansatz­punkten für medizi­nische Wirkstoffe abzusuchen oder neuartige Nano­materialien für unter­schiedliche Anwendungs­gebiete, von der Nano­elektronik bis hin zur Energie­technik, zu erforschen.

„Die Beschleunigung und Senkung der Strahlungs­dosis eröffnet neue Perspektiven, speziell für die Lebens­wissen­schaften und für die Erforschung weicher Materie“, schwärmt Rafal Dunin-Borkowski. Bei dem Verfahren nimmt ein Trans­missions­elektronen­mikroskop in rascher Folge Bilder aus unter­schiedlichen Winkeln von der Probe auf, die meist weniger als einen Mikro­meter dick ist. „Die einzelnen Bilder zeigen keinen Quer­schnitt durch die Probe. Statt­dessen überlagern sich die Informationen aus unter­schiedlichen Schichten ähnlich wie bei einem Röntgenbild und werden anschließend gemeinsam auf eine Ebene projiziert“, erklärt der Kodirektor des Ernst Ruska-Centrums sowie Direktor am Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-5). Daher sind Algorithmen notwendig, mit denen sich aus einer Bildserie am Computer die dreidimen­sionale Darstellung berechnen lässt.

Die erzielbare Auflösung wird dabei durch die präparat­schädigende Wirkung des Elektronen­strahls beschränkt. Insbe­sondere weiche, biologische Proben „vertragen“ nur eine begrenzte Anzahl von Bildern. Ihre empfindlichen Strukturen, beispielsweise Proteinstrukturen, werden durch hochenergetische Elektronen schnell zerstört. Um die Elektronen­strahl­dosis zu verringern, haben die Forscher des Ernst Ruska-Centrums ihr Elektronen­mikroskop mit einem neuartigen Detektor ausge­stattet. Die verwendete Single-Electron-Detection-Kamera kann einfallende Elektronen direkt erfassen, ohne sie vorab in Photonen, also Licht, umwandeln zu müssen – wie es bislang üblich ist.

„Die jüngste Generation von Detektor­chips besitzt eine sehr hohe Empfind­lichkeit, was bedeutet, dass man für die gleiche Aufnahme­qualität mit einer zwei- bis dreimal kleineren Elektronen­strahl­dosis auskommt“, erläutert Vadim Migunov, tätig am Ernst-Ruska-Centrum und dem Jülicher Peter-Grünberg-Institut. Kollegen von ihm am Jülicher Zentral­institut für Engineering, Elektronik und Analytik (ZEA-2) haben die Elektronik des Chips mitentwickelt. Sie sorgt dafür, dass sich die Daten deutlich schneller auslesen und damit extrem schnelle Aufnahmeraten erzielen lassen.

Abb.: Die Bildserie dient als Datenbasis für die tomographische 3D-Rekonstruktion (Bild: V. Migunov et al. / NPG; CC BY 4.0) Caption


Zur Überprüfung des verbesserten Verfahrens hat Vadim Migunov gemeinsam mit seinen Kollegen vom Ernst-Ruska-Centrum ein anorga­nisches Nano­röhrchen aus Lantha­niden untersucht. Derartige Strukturen werden aktuell mit großem Interesse erforscht, da sie sich möglicher­weise für die Strom­gewinnung aus Abwärme sowie für neuartige Licht­quellen und Kataly­satoren eignen. „Durch die Aufnahme­rate von rund tausend Bildern pro Sekunde wird es beispielsweise erstmals möglich, mittels Elektronen­tomographie schnelle Prozesse in 3D auf der Nanoskala und in Echtzeit zu beobachten – beispiels­weise chemische Reaktionen, an denen Kataly­satoren beteiligt sind, Kristall­wachstums­prozesse oder Phasen­zustands­wechsel“, erklärt Migunov.

Untersuchungen mit besserer zeitlicher und räumlicher Auflösung könnten beispiels­weise helfen zu erklären, wie es zum Funktions­verlust von Nano­kataly­satoren kommt. Derartige Nanopartikel lassen sich unter anderem zur Gewinnung von Wasserstoff oder zur Abtrennung schädlicher Klima­gase einsetzen. Ihr Wirkungs­grad hängt maßgeblich davon ab, wie sich die Atome an Ober­flächen anordnen, an denen sich die chemischen Reaktionen abspielen.

Darüber hinaus bringt das neue Verfahren weitere Vorteile mit sich. Nur wenige Sekunden Rechenzeit sind nötig, um die 3D-Struktur am Rechner zu rekons­truieren. Die zeitliche Verzögerung fällt also sehr gering aus, was es Wissen­schaftlern ermöglicht, laufende Experimente praktisch live in 3D mitzu­verfolgen.

FZJ / OD

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