05.05.2020

Elektronik besser recyceln

Neue Anlage zerlegt automatisiert Elektronik und gewinnt wertvolle Stoffe zurück.

Eine völlig neue Recycling-Methode, um auto­matisiert Elektronik zu zerlegen und daraus wertvolle Stoffe zurück­zugewinnen – dies ist das Ziel des EU-Projekts „ADIR – Next generation urban mining – Automated disassembly, separation and recovery of valuable materials from electronic equipment“. Innerhalb von vier Jahren entwickelten das Fraunhofer-Institut für Laser­technik ILT aus Aachen und acht Projektpartner aus drei Ländern ein tragfähiges Recycling­konzept. Strategisch ging es den ADIR-Partnern darum, die Ressourcen­abhängigkeit der EU und kosten­aufwändige Material­importe zu verringern sowie neue Techno­logien für die inverse Produktion zu demonstrieren.

Abb.: In dieser Pilotanlage werden die Bestand­teile elek­tronischer Bauteile...
Abb.: In dieser Pilotanlage werden die Bestand­teile elek­tronischer Bauteile wie Handy- und Computer­platinen auto­matisiert iden­tifiziert und entlötet. (Bild: Fh.-ILT)

Besonderes Augenmerk des Recycling­konzepts liegt auf den Elementen Tantal, Neodym, Wolfram, Kobalt und Gallium. Diese Metalle stecken heute in fast jeder Elektronik. Diese Wertstoffe sind rar, kosten pro Kilogramm mittler­weile zum Teil fast 250 Euro und lassen sich aus gebrauchter Elektronik bisher kaum wirtschaftlich recyceln. Die effiziente Arbeits­weise des Recycling­konzepts stellte das ADIR-Projekt­konsortium Anfang März 2020 auf der Berliner Recycling- und Sekundär­rohstoff­konferenz und auf dem Mineral Recycling Forum in Aachen anhand von rund 1000 zerlegten Mobil­telefonen und über 800 Leiter­platten vor.

Vom Urban Mining-Trend ließen sich Reinhard Noll und Cord Fricke-Begemann vom Fraunhofer ILT zu einem neuen Recycling-Ansatz inspirieren: Zusammen mit den Projekt­partnern entwickelten sie ein Konzept für die Verarbeitung typischer Leiterplatten aus Computern und für aus­rangierte Handys. Unterstützt wurden sie vom Fraunhofer-Institut für Fabrik­betrieb und -automatisierung IFF aus Magdeburg. Im Mittelpunkt stehen auto­matisierbare flexible Prozesse, mit denen sich Elektronik­geräte am Ende ihrer Nutzungsdauer in ihre Einzelteile zerlegen lassen. In einer Demontage­anlage arbeiten dazu Lasertechnik, Robotik, Vision­systeme und Informations­technologie in intelli­genter Weise zusammen. Eine Hauptrolle spielen Laser, die unter anderem Inhalts­stoffe identi­fizieren, Bauelemente berührungslos entlöten oder ausschneiden. Damit lassen sich strategisch bedeutsame Wertstoffe mit hoher wirtschaft­licher Bedeutung im indus­triellen Maßstab effizient recyceln.

„Das Interesse der Experten war sehr groß“, berichtet Projektleiter Fricke-Begemann. „Die gute Resonanz motivierte auch die Projekt­partner aus der Industrie.“ Einer von ihnen ist die Firma Electro­cycling aus Goslar, die seit Ende 2018 das ADIR-Verfahren in Feldtests erprobt und für den industriellen Einsatz validiert. Sie bewies mit einem Demonstrator, dass sich zum Beispiel durch Kombination der verschiedenen Techniken erhebliche Mengen winziger Kondensatoren aus der Elektronik heraus­picken lassen, um aus ihnen wertvolles Tantal zurückzu­gewinnen. Diese Aufgabe übernahm das Unternehmen H.C. Starck Tantalum & Niobium.

„Wir haben in dem Projekt rund 1000 Handys und über 800 große Computer­platinen zerlegt, aus denen wir einige Kilogramm an Bauteilen zur Weiter­verwertung erhielten“, sagt Fricke-Begemann. „Tantal ließ sich zu 96 bis 98 Prozent zurückgewinnen.“ Das Beispiel zeige, dass sich viele der in der Elektronik enthaltenen wichtigen Wertstoffe wie gewünscht effizient herausholen lassen – und zwar in einem neuartigen Sekundär­rohstoff mit einem hohen Wertstoff­gehalt, der deutlich höher als etwa die Tantal-Erz-Konzentrate der Rohstoff­zulieferer ausfällt.

Das vorwett­bewerbliche Forschungs­projekt ist nun abgeschlossen, die wirtschaft­liche Machbarkeit hat das ADIR-Team mit dem Demonstrator bewiesen. „Dank der gewonnenen Erkennt­nisse ließe sich nun bereits ein Teil der Prozesskette realisieren“, sagt Noll. „Dazu zählen die Inspektion der Leiter­platten sowie das Entlöten und Entnehmen der Komponenten.“ Allerdings besteht noch Verbesserungs­potenzial etwa bei der Auto­matisierung, die zur Beschleunigung der Prozesse führen kann. Dazu tragen auch die ersten Erfahrungen über das auto­matische Öffnen und Zerlegen von Mobil­telefonen bei, die in einer Datenbank gesammelt wurden. Mit diesen Daten können Mitarbeiter eine Recycling-Maschine auf neue Mobil­telefon­modelle anlernen.

Diese Argumente kommen in der Industrie an, erste Partner für die Realisierung gibt es bereits, weitere werden noch gesucht. Doch nicht nur der effi­zientere Umgang mit Rohstoffen spricht für das Konzept: In Deutschland würde die Abhängig­keit von Rohstoff­lieferungen aus anderen Regionen sinken und sich neue Chancen für Technologien der inversen Produktion zum Schließen von Werkstoff­kreisläufen ergeben.

Fh.-ILT / JOL

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