07.03.2022

Energiesparen mit Magnonen

Magnetische Anregungen übertragen Informationen ohne Wärmeverlust.

Ein großer Nachteil elektronischer Bauteile ist, dass der Stromfluss aufgrund des elektrischen Widerstands immer auch Wärme erzeugt – angesichts der immensen Zahl elektronischer Bauteile weltweit, ein gigan­tischer Energie­verlust. Eine energie­effiziente Alternative besteht darin, magnetische Wellen für Transport und Verarbeitung von Informationen zu verwenden. Denn sie produzieren nicht annährend so viel unnütze Wärme. Solche Bauteile könnten auch wesentlich kompakter sein. Weltweit suchen daher Wissen­schaftlerinnen und Wissen­schaftler nach Materialien, in denen magnetische Spin-Wellen für den Informations­transport genutzt werden können. Ein inter­nationales Forschungs­konsortium unter maßgeblicher Beteiligung der Technischen Univer­sität München ist nun auf dieser Suche einen wichtigen Schritt vorwärts gekommen. Ihre Beobachtungen von Spinwellen auf Kreis­bahnen in bestimmten magne­tischen Materialien könnten auch für diejenigen Quanten-Techno­logien einen Durchbruch bedeuten, die Wellen dazu benutzen, um Informationen zu trans­portieren.

Wirft man einen Stein ins Wasser, so bringt man die Wassermoleküle aus ihrer Ruhelage. Sie fangen an zu schwingen; eine kreisförmige Welle breitet sich aus. Ganz ähnlich kann man die magnetischen Momente in manchen Materialien zu einer Schwingung anregen. Dabei führt das magnetische Moment eine Kreisel­bewegung um seine ursprüngliche Ruhelage aus. Die Schwingung eines Atoms stößt eine Schwingung des nächsten an, und so pflanzt sich die Welle fort. Für Anwendungen ist es hierbei wichtig, die Eigen­schaften dieser magnetischen Wellen, wie beispielsweise ihre Wellenlänge oder Richtung, kontrollieren zu können. In konven­tionellen Ferro­magneten, in welchen die magne­tischen Momente alle in dieselbe Richtung zeigen, breiten sich magnetische Wellen grund­sätzlich geradlinig aus.

Ganz anders verhält sich die Ausbreitung solcher Wellen in einer neuen Klasse magne­tischer Materialien, die einem Paket ungekochter Spagetti vergleichbar, aus einer engen Anordnung magnetischer Wirbelschläuche bestehen. Entdeckt wurde sie vor knapp fünfzehn Jahren von einem Team um Christian Pfleiderer und Peter Böni an der TU München mit Hilfe von Neutronen­experimenten. Aufgrund ihrer nicht-trivialen topo­logischen Eigenschaften und in Anerkennung der theoretisch-mathematischen Entwicklungen des britischen Kernphysikers Tony Skyrme werden die Wirbel­schläuche als Skyrmionen bezeichnet.

Da Neutronen selbst ein magnetisches Moment tragen, eignen sie sich besonders gut zur Erforschung magne­tischer Materialien, da sie wie eine Kompassnadel hoch­empfindlich auf magnetische Felder reagieren. Für den Nachweis der Spinwellen auf Kreisbahnen erwies sich die Neutronenstreuung sogar als alternativlos, da nur sie die erforderliche Auflösung über sehr große Längen- und Zeitskalen ermög­lichte. Wie das Team um Tobias Weber vom Institut Laue Langevin im französischen Grenoble nun mittels pola­risierter Neutronen­streuung nachweisen konnte, erfolgt die Ausbreitung einer magnetischen Welle senkrecht zu solchen Skyrmionen nicht geradlinig sondern auf einer Kreisbahn.

Grund hierfür ist, dass die Richtung benachbarter magnetischer Momente und damit die Richtung der Achse, um die die Kreiselbewegung erfolgt, sich konti­nuierlich ändert. Analog dazu ändert sich bei der Fortpflanzung der Kreisel­bewegung von einem magnetischen Moment zum nächsten senkrecht zu einem magne­tischen Wirbelschlauch auch die Ausbreitungs­richtung kontinuierlich. Der Radius und die Richtung der Kreisbahn der Ausbreitungs­richtung hängt dabei von der Stärke und der Richtung der Verkippung der magne­tischen Momente ab. „Damit jedoch nicht genug“, sagt Markus Garst vom Karlsruher Institut für Technologie, der die theoretische Beschreibung der magnetischen Wellenbewegung und ihre Kopplung an Neutronen schon vor länger Zeit ausgearbeitet hatte. „Es gibt eine enge Analogie zwischen der kreis­förmigen Ausbreitung von Spinwellen in einem Skyrmionen­gitter und der Bewegung eines Elektrons aufgrund der Lorentzkraft senkrecht zu einem Magnetfeld.“

Bei sehr tiefen Temperaturen, wenn die Kreisbahnen geschlossen sind, ist ihre Energie quantisiert. Vor fast hundert Jahren vom russischen Physiker Lev Landau vorher­gesagt, ist dieses Phänomen für Elektronen seit langem als Landau-Quan­tisierung gut bekannt. Dabei lässt sich der Einfluss der Wirbelstruktur auf die Spinwellen elegant durch ein fiktives Magnetfeld interpretieren. Das heißt, das sehr kompli­zierte Wechselspiel der Spinwellen mit der Skyrmionen­struktur ist letztlich genauso einfach wie die Bewegung von Elektronen in einem echten Magnetfeld zu verstehen. Auch die Ausbreitung der Spinwellen senkrecht zu den Skyrmionen zeigt eine solche Quantisierung der Kreisbahnen. Die charak­teristische Energie der Spinwelle ist damit ebenfalls quantisiert, was völlig neue Anwendungen verspricht.

Zusätzlich ist die Kreisbahn aber auch noch in sich verdrillt, ähnlich wie bei einem Möbiusband. Sie ist topo­logisch nicht-trivial: Nur durch Zerschneiden und neu Zusammenfügen ließe sich die Verdrillung entfernen. All dies führt zu einer besonders stabilen Bewegung der Welle.„Die experi­mentelle Bestimmung der Spinwellen in Skyrmionen­gittern erforderte sowohl eine Kombination weltweit führender Neutronen­spektrometer als auch eine massive Weiter­entwicklung der Software zur Deutung der Daten“, erläutert Peter Böni. 

Die Bewegung von Spinwellen auf Kreisbahnen, die noch dazu quantisiert sind, ist jedoch nicht nur aus Sicht der Grundlagen­forschung ein Durchbruch. So betont Christian Pfleiderer vom Zentrums für Quanten­Engineering der TUM: „Die spontane Bewegung von Spinwellen auf Kreisbahnen, deren Radius und Richtung durch Skyrmionen-Wirbel­strukturen entsteht, eröffnet eine neue Perspektive, um funktionelle Bauteile für die Informations­verarbeitung in den Quanten­technologien zu realisieren, wie beispielsweise einfache Koppler zwischen Qubits in Quanten­computern.“

TUM / JOL

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