Erdrotation mit Laser vermessen
Erstmals ist es gelungen, die Schwankungen der Erdachse mit Labormessungen direkt zu bestimmen.
Die Erde schlingert. Wie bei einem Brummkreisel, den man antippt, präzediert die Lage ihrer Rotationsachse im Raum, weil die Gravitation von Sonne und Mond auf sie wirkt. Gleichzeitig ändert sich auch die Position der Rotationsachse auf der Erde permanent: Zum einen verursachen Ozeanbewegungen, Wind und Luftdruck eine Bewegung der Pole, die rund 435 Tage dauert – ein nach seinem Entdecker „Chandler Wobble“ getauftes Phänomen. Zum anderen ändert sich die Position im Laufe eines Jahres, weil die Erde auf einer elliptischen Bahn um die Sonne rast – der „Annual Wobble“. Die beiden Effekte ergeben eine unregelmäßige Wanderung der Erdachse auf einer kreisähnlichen Linie mit einem Radius von maximal sechs Metern.
Abb.: Ringlaser des Geodätischen Observatoriums Wettzell; Anregung von zwei in entgegengesetzte Richtungen laufenden Laserstrahlen. (Bild: Carl Zeiss AG)
Diese Schwankungen zu erfassen, ist entscheidend für ein zuverlässiges Koordinatensystem und damit für den Betrieb von Navigationssystemen oder die Vorhersage von Bahnen in der Raumfahrt. Bislang sind weltweit 30 Radioteleskope im Einsatz, um die Lage der Achse im Raum und die Drehgeschwindigkeit der Erde in einem aufwendigen Prozess zu berechnen. Abwechselnd messen acht bis zwölf von ihnen jeden Montag und Donnerstag die Richtung zu bestimmten Quasaren. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Position dieser Galaxiekerne nicht ändert und sie deshalb als Fixpunkte dienen können. Forschern ist es nun gelungen, die aus den Messungen der Radioteleskope stammenden Daten zur Ausprägung des Chandler Wobble und des Annual Wobble mit einem Ringlaser zu bestätigen.
Bereits Mitte der 90er Jahre haben sich Wissenschaftler von TUM und BKG gemeinsam mit Forschern der neuseeländischen University of Canterbury vorgenommen, eine Methode zu entwickeln, die eine weniger aufwendige und eine kontinuierliche Bestimmung des Chandler und des Annual Wobble ermöglicht. Die Wissenschaftler hatten die Idee, zu diesem Zweck einen Ringlaser zu konstruieren, wie er in Flugzeugen zur Navigation verwendet wird – nur millionenfach genauer.
Ende der 90er Jahre ging auf dem Gelände des Wettzeller Observatoriums der heute weltweit stabilste Ringlaser in Bau. Zwei Lichtstrahlen durchlaufen in entgegengesetzten Richtungen eine quadratisch angeordnete Bahn mit Spiegeln in den Ecken, die in sich geschlossen ist (daher die Bezeichnung Ringlaser). Dreht sich eine solche Apparatur, hat der Laserstrahl in der Drehrichtung einen längeren Weg als der gegenläufige. Die Strahlen passen daraufhin ihre Wellenlänge an, die optische Frequenz ändert sich. Aus dieser Differenz kann man auf die Drehgeschwindigkeit schließen. In Wettzell dreht sich nicht der Ringlaser selbst, sondern nur die Erde. Die vier mal vier Meter lange Konstruktion ist in einem massiven Betonpfeiler verankert, der wiederum in rund sechs Metern Tiefe auf massiven Fels der Erdkruste gegründet ist, damit ausschließlich die Erdrotation auf die Laserstrahlen wirkt.
Wie die Drehung der Erde das Licht beeinflusst, ist abhängig vom Standort des Lasers: Die Wissenschaftler müssen deshalb die Position des Wettzeller Lasers auf dem 49. Breitengrad berücksichtigen. Ändert sich nun die Achse der Erdrotation, ändert sich auch die Drehgeschwindigkeit. Die Veränderungen im Verhalten des Lichts zeigen also die Schwankungen der Erdachse an.
Die Physiker mussten Änderungen in den Frequenzen ausschließen, die nicht von der Drehbewegung der Erde, sondern von Umwelteinflüssen wie Luftdruck und Temperatur herrühren. Ihre wichtigsten Instrumente: eine Glaskeramikplatte und eine Druckkabine. Auf die neun Tonnen schwere Platte aus Zerodur haben die Forscher den Ringlaser montiert, auch die balkenartigen Halterungen wurden aus dem Werkstoff gefertigt. Dieser hat den großen Vorteil, auf Temperaturänderungen kaum zu reagieren. Geschützt wird die Konstruktion durch die Druckkabine. Sie registriert Änderungen des Luftdrucks und der Temperatur von 12 Grad und steuert automatisch gegen. Um solche Einflüsse von vornherein gering zu halten, liegt das Labor in fünf Metern Tiefe, nach oben hin isoliert mit Schichten aus Styrodur und Ton sowie einem vier Meter hohen Erdhügel.
Das Ziel der Forscher ist es nun zum einen, die Genauigkeit der Konstruktion so zu erhöhen, dass sie Veränderungen der Erdrotationsgeschwindigkeit eines einzelnen Tages erfassen kann. Zum anderen wollen sie Ringlaser für einen dauerhaften Betrieb rüsten, bei dem die Apparatur auch über Jahre keine Abweichungen produziert.
TUM / PH