Ernie und Bert aus dem All
IceCube hat etliche ultrahochenergetische Neutrinos nachgewiesen, davon zwei mit mehr als 1 PeV!
Geduld wird in der Wissenschaft häufig belohnt. Ein ordentliches Stück davon benötigen Neutrinoforscher, wenn sie den extrem schwach wechselwirkenden Teilchen auf die Spur kommen wollen. Nachdem erste Meldungen über extrem hochenergetische Neutrinos bereits vor einigen Monaten die Runde machten, sind die Ergebnisse jetzt veröffentlicht: Zwei von der Community „Ernie“ und „Bert“ getaufte Ereignisse haben mehr als ein Petaelektronenvolt an Energie besessen. Damit sind sie rund hundertfach energiereicher als die Protonen am Large Hadron Collider, rund tausendfach stärker als die stärkste menschengemachte Neutrinostrahlung und rund zehn Größenordnungen oberhalb typischer solarer Neutrinos. Wie die Forscher analysiert haben, stammt die Strahlung mit hoher Wahrscheinlichkeit aus den Tiefen des Alls. Die Analyse von knapp zwei Jahren Daten offenbarte aber auch über zwei Dutzend weitere hochenergetische Events über 30 TeV, die ebenfalls auf einen kosmischen Ursprung hindeuten.
Abb.: So zeigt die Analysesoftware die Spuren der Neutrinos durch den Detektoran – die Größe der Kreise gibt die Menge an Photonen an, die Farbe den Zeitpunkt ihres Eintreffens. (Bild: IceCube Coll.)
Bei Neutrinos haben Forscher das große Problem, zwischen echter galaktischer oder extragalaktischer Neutrinostrahlung und sekundären Neutrinos zu unterscheiden, die erst durch Kollisionen anderer hochenergetischer kosmischer Strahlen mit der Erdatmosphäre entstehen. Letztere erzeugen einen hohen Untergrund, der sich nur durch statistische Analyse reduzieren lässt. Zum Beispiel gelangen nur solche Ereignisse durch die Filter, die mindestens tausend Photoelektronen erzeugen. Ernie und Bert machten es den Wissenschaftlern leicht, da der gesamte Teilchenschauer im Detektorvolumen lag. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ernie und Bert erst in der Erdatmosphäre entstanden sind, konnten die Forscher deshalb mit lediglich 0,29 Prozent angeben.
Eine kosmische Quelle für die Neutrinostrahlung – wie etwa die üblichen Verdächtigen Aktive Galaktische Kerne oder Supernovae – konnten die Forscher aber nicht nennen. Noch haben sie insgesamt zu wenige hochenergetische Neutrinos nachweisen können. Sie hoffen aber, über die kommenden Monate und Jahre mit den mehr als fünftausend nach unten schauenden Photodetektoren von IceCube genug Daten zu sammeln, um mögliche Ursprungsorte ausfindig zu machen. Nur Neutrinos können die gesamte Erde durchdringen und nach oben gerichtetes Tscherenkov-Licht erzeugen, wenn sie eine Kollision erfahren.
Die nun veröffentlichten Ereignisse könnten somit der erste Hinweis auf höchstenergetische kosmische Neutrinostrahlung sein. Bei einer Signifikanz von 2,8 Sigma nach der vorliegenden Analyse benötigen die Wissenschaftler allerdings noch ein wenig mehr Geduld.
Dirk Eidemüller
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