Erstmals Antiskyrmionen experimentell nachgewiesen
Kombination aus hochauflösender Elektronen-Mikroskopie und fortschrittlichen Simulationen führte zum Erfolg.
Antiskyrmionen gehören zur Familie der magnetischen Solitonen. Teilchen und Antiteilchen können sich annihilieren, wobei die ursprünglichen Teilchen verschwinden und Energie freigesetzt wird. Auch ein magnetisches Skyrmion und sein Antiteilchen können sich annihilieren. Während etwa bei der Elektron-Positron-Annihilation die Energie durch die Emission von Photonen freigesetzt wird, wird bei der Annihilation eines Skyrmions und eines Antiskyrmions die Energie in Form von Spinwellen freigesetzt.
Magnetische Solitonen sind Anregungen von Magnetisierungsfeldern, die sich mit den Mitteln der klassischen Physik beschreiben lassen. Die Wechselwirkungen zwischen den Magnetfeldern der verschiedenen Atome in einem Material führen in der Regel zu einer nahezu parallelen Ausrichtung der Magnetisierungsvektoren, zumindest lokal. Diese nahezu perfekte Ordnung kann jedoch durch verschiedene Stimuli, wie externe Magnetfelder oder Temperaturschwankungen, gestört werden. In den meisten Fällen klingen solche Störungen schnell ab. Im Inneren magnetischer Kristalle breiten sich solche Spinwellen durch Richtungsänderungen der Magnetisierungsvektoren aus. Ihre Amplitude nimmt mit der Zeit ab, und das System kehrt schließlich in seinen Ausgangszustand zurück.
Solitonen sind besondere Arten von Anregungen, die ihre Form in Raum und Zeit beibehalten können. Typischerweise sehen sie wie isolierte Wellen aus, die sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. Solitonen in magnetischen Kristallen können perfekt in allen drei Raumrichtungen lokalisiert werden und bleiben auch im Ruhezustand stabil, genau wie echte Teilchen. Magnetische Skyrmionen und Antiskyrmionen sind Beispiele für solche statisch stabilen Solitonen.
Ein Grund für das wissenschaftliche Interesse an magnetischen Solitonen ist, dass sie sich leicht manipulieren lassen. Insbesondere können Forscher sie dazu bringen, sich zu bewegen und miteinander zu interagieren. Indem man zum Beispiel die Stärke eines externen Magnetfelds variiert, lassen sie sich zerstören und neu bilden. Unter bestimmten Bedingungen können sie sogar perfekt geordnete Muster bilden, ähnlich wie bei Kristallgittern. Die typische Größe von magnetischen Skyrmionen in Materialien liegt zwischen einigen Nanometern und einigen hundert Nanometern.
Es gibt mehrere Ideen zur Nutzung magnetischer Solitonen als bewegliche Datenbits in Datenspeichern. Darüber hinaus gibt es Vorschläge für den Einsatz von Skyrmionen in der neuromorphen und stochastischen Datenverarbeitung. Um solche Konzepte zu realisieren, müssen die Forscher zunächst noch mehr über die grundlegenden Eigenschaften von Skyrmionen und Antiskyrmionen wissen. Darauf konzentriert sich ein Team am Forschungszentrum Jülich, das aus Theoretikern des Peter-Grünberg-Instituts und Experimentatoren des Ernst-Ruska-Centrums besteht.
Die Existenz magnetischer Antiskyrmionen war durch theoretische Überlegungen vorausgesagt. Jetzt gelang dem Team erstmals der experimentelle Nachweis von Antiskyrmionen. Möglich wurde dies durch hochauflösende Elektronenmikroskopie und fortschrittliche Simulationen sowie langjährige Erfahrung in der Untersuchung des Materials, gepaart mit sorgfältiger experimenteller und theoretischer Arbeit. Gleichwohl war die Entdeckung von Antiskyrmionen in einer Eisen-Germanium-Legierung eine Überraschung für die Wissenschaftler. Denn das Experiment war ursprünglich für die Beobachtung einer anderen Art magnetischer Solitonen konzipiert, Skyrmion-Beutel genannt. Aus theoretischen Arbeiten war bekannt, dass dünne Platten aus einer Eisen-Germanium-Legierung nötigen waren, um die Stabilität von Skyrmion-Beuteln untersuchen zu können.
Wie sich herausstellte, sind solche dünnen Schichten mit einer Dicke von nur etwa siebzig Nanometern auch erforderlich, um stabile Antiskyrmionen zu sehen. Allerdings haben die Forscher das erst nach den experimentellen Beobachtungen richtig verstanden. Die Proben wurden mithilfe eines Transmissions-Elektronenmikroskops untersucht. Der deutliche magnetische Kontrast von Skyrmionen und Antiskyrmionen ermöglichte es, die Teilchen zu unterscheiden und zu untersuchen, wie sie entstehen und sich gegenseitig vernichten.
Um jedoch zu beweisen, dass der Kontrast in den Bildern bestimmten magnetischen Konfigurationen entspricht, wie eben Skyrmionen und Antiskyrmionen, musste das Team Computersimulationen mit den experimentellen Bildern vergleichen. Diese Simulationen sind rechnerisch sehr anspruchsvoll. Besonders herausfordernd ist es, nicht nur die magnetische Textur in der Probe, sondern auch den Kontrast in den aufgenommenen Bildern zu simulieren. Diese Kombination aus hochauflösender Elektronenmikroskopie und fortschrittlichen Simulationen war für den Erfolg der Arbeit entscheidend.
FeGe ist nur einer von vielen magnetischen Kristallen, in denen ähnliche Phänomene wie Antiskyrmionen zu erwarten sind. Die Forscher gehen davon aus, dass Skyrmionen und Antiskyrmionen auch in anderen magnetischen Kristallen beobachtet werden können. Das Team ist insbesondere auf der Suche nach Materialien, in denen Skyrmionen und Antiskyrmionen bei Raumtemperatur existieren können, was für Anwendungen vorteilhaft wäre.
FZ Jülich / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. Zheng et al.: Skyrmion–antiskyrmion pair creation and annihilation in a cubic chiral magnet, Nat. Physics 18, 863 (2022); DOI: 10.1038/s41567-022-01638-4 - Spin Dynamics Group, Peter-Grünberg-Institut, Forschungszentrum Jülich
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