Erstmals eingefangen: Anti-Wasserstoff
Am CERN gelang mit dem Einfang von Anti-Wasserstoff-Atomen der erste Schritt zur Überprüfung der fundamentalen Symmetrien des Standardmodells.
Am CERN gelang mit dem Einfang von Anti-Wasserstoff-Atomen der erste Schritt zur Überprüfung der fundamentalen Symmetrien des Standardmodells.
Im Rahmen des Experiments ALPHA ist es am europäischen Forschungszentrum CERN erstmals gelungen, Anti-Wasserstoff-Atome einzufangen und kontrolliert wieder freizugeben. Wie das ALPHA-Team berichtet, konnten insgesamt 38 Anti-Wasserstoff-Atome für 0,17 Sekunden in einer magnetischen Falle festgehalten werden. Damit öffnet sich die Tür für eine Untersuchung des Spektrums von Anti-Wasserstoff. Gemäß dem für das Standardmodell grundlegenden CPT-Theorem sollten die Spektren von Wasserstoff und Anti-Wasserstoff identisch sein.
Abb.: Das ALPHA-Experiment am CERN (Bild: Niels Madsen, ALPHA, CERN)
Die Abwesenheit von Antimaterie im Kosmos ist eines der großen Rätsel der Physik. Beim Urknall sollten Teilchen und Antiteilchen symmetrisch in gleichen Mengen entstanden sein - warum also ist die Antimaterie verschwunden? Ursache könnte eine Verletzung fundamentaler Symmetrien sein, die vom Standardmodell vorausgesetzt werden. Diese Symmetrien finden im CPT-Theorem ihren Ausdruck: Physikalische Gesetze sind danach invariant gegen einer Vertauschung von elektrischer Ladung, Parität und Zeitrichtung. Oder, anders ausgedrückt, tauscht man bei einem physikalischen Vorgang Materie gegen Antimaterie aus und lässt ihn außerdem spiegelbildlich und zeitumgekehrt ablaufen, so handelt es sich wieder um einen physikalisch möglichen Vorgang.
Eine Verletzung des CPT-Theorems könnte sich deshalb in Unterschieden zwischen den Spektren von Wasserstoff und Anti-Wasserstoff bemerkbar machen. 1995 gelang es am CERN erstmals Anti-Wasserstoff-Atome herzustellen. Seit 2002 können die Forscher im Rahmen der Experimente ATHENA und ATRAP große Mengen an Anti-Wasserstoff produzieren. Doch die Anti-Materie ist kurzlebig und wird durch den Kontakt zu normaler Materie in kürzester Zeit wieder vernichtet. Um die Eigenschaften von Anti-Wasserstoff untersuchen zu können, müssen die Physiker die Atome einfangen und vor der Vernichtung bewahren.
Dies gelang nun im Rahmen des Experiments ALPHA, einer Weiterentwicklung von ATHENA. Zunächst werden in Penning-Malmberg-Fallen - eine Kombination elektrischer und magnetischer Felder - Antiprotonen und Positronen eingefangen, gekühlt und miteinander vermischt, um so kühle Anti-Wasserstoff-Atome zu erhalten. Der Einfang der entstehenden Anti-Atome gelang den Forschern des ALPHA-Experiments nun, in dem sie die Reaktionsregion in eine weitere Falle eingeschlossen haben. Hierbei handelt es sich um ein komplexes Magnetfeld, das mit dem magnetischen Moment der Atome in Wechselwirkung tritt. Die Falle kann Atome festhalten, die mit einer Temperatur von weniger als einem halben Kelvin entstehen.
"Die extreme experimentelle Herausforderung war, derart kalte Atome aus Plasmen geladener Teilchen mit einer Temperatur von 10 hoch 5 Kelvin zu synthetisieren", schreiben die ALPHA-Forscher in ihrem Bericht, "und das seltene Auftauchen eines solchen Atoms eindeutig von Hintergrund-Prozessen zu unterscheiden." Insgesamt landeten nach der Wechselwirkung von zehn Millionen Antiprotonen und 700 Millionen Positronen gerade einmal 38 Anti-Wasserstoff-Atome in der Falle - aber immerhin für länger als eine Zehntel Sekunde. Lange genug, so konstatieren die Wissenschaftler, um künftig Anti-Wasserstoff eingehend untersuchen zu können. Mit weiteren Verbesserungen an dem Experiment hofft das ALPHA-Team außerdem, sowohl die Ausbeute an gefangenen Atomen als auch die Verweildauer der Atome in der Falle zu vergrößern.
Rainer Kayser
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