20.12.2004

Europas Lift ins Weltall

Vor 25 Jahren starteten die Europäer die erste Ariane-Rakete und leiteten damit die Unabhängigkeit von den Amerikanern ein.


Vor 25 Jahren starteten die Europäer die erste Ariane-Rakete und leiteten damit die Unabhängigkeit von den Amerikanern ein.

Paris/Bremen (dpa) - Mit blanken Nerven stand Horst Holsten in einem Schutzbunker wenige hundert Meter von der Startrampe entfernt. Er wartete auf den Countdown. Würde es beim dritten Anlauf klappen? Dann zündeten die Triebwerke endlich, die erste Ariane-Trägerrakete hob in den frühabendlichen Himmel über Kourou in Französisch-Guyana ab. «Der Puls war auf 180», erinnert sich der führende Fachmann für Raketenstufen und Triebwerke. «Der Start war dann aber super, und plötzlich tauchte Champagner auf. Es gab auch dicke Zigarren, wobei niemand wusste, woher die kamen.» Europa hatte sich an Heiligabend 1979 diese Bescherung gegönnt - der Weg war nach einer Zitterpartie frei für einen eigenständigen Zugang der «Alten Welt» ins Weltall.

Am 24. Dezember 1979 startete die erste Ariane-Rakete erfolgreich in den Himmel. (Quelle: ESA)

Die Ariane-1 brachte zwar nur eine Testkapsel in ihre Umlaufbahn. Dieser Bilderbuchstart leitete jedoch die herbeigesehnte europäische Unabhängigkeit von den Amerikanern ein - und trotz aller Rückschläge eine nicht alltägliche Erfolgsgeschichte. Ein Vierteljahrhundert nach der Premiere bestätigte das am Samstag der nunmehr 164. Ariane-Start.

Als damals jubelnde Wissenschaftler und Techniker im südamerikanischen Dschungel und in den Raumfahrtzentren in Paris ihre Arme hochrissen, waren sie zunächst einmal nur glücklich und erleichtert. Die Arbeit war nicht umsonst gewesen. Nach einer Reihe von Pannen konnte Europa stolz sein. Die unter Pariser Führung von zehn Staaten gebaute Ariane sollte eine von Erfolg, aber auch von Sorge und Ungewissheit geprägte Raumfahrt-Epoche einleiten. 25 Jahre später sind die Ariane-Raketen jedenfalls aus der internationalen Raumfahrt nicht mehr wegzudenken.

Am späten Morgen nach dem Jungfernflug und einer durchfeierten Nacht am Hotel-Pool sah man Raumfahrttechniker unter den Palmen am Strand von Kourou - sie zeichneten ganz entspannt Zukunftsmodelle für Weltraumtransporter in den Sand. «Bei einem Scheitern des Erststarts wäre vielleicht das ganze Projekt gekippt worden», sagt der gelernte Maschinenbauingenieur Holsten. Damals entwickelte er in Frankreich Triebwerke, heute ist er bei EADS Space Transportation in Bremen für Trägerraketen verantwortlich. Seit 40 Jahren ist er in der Raketenbranche und hat bei Dutzenden von Starts mitgezittert.

Das Paradestück sollte die Ariane-4 werden. Die Ariane-1 hatte neun erfolgreiche Flüge bei zwei Fehlstarts absolviert, Ariane-2 und Ariane-3 folgten. Inzwischen war längst die fette Zeit dieser Branche angebrochen. Satelliten der Telekommunikationsindustrie bevölkerten nach und nach den Himmel. Das zugstarke Arbeitspferd Ariane-4 hob erstmals am 15. Juni 1988 von der Rampe in Französisch-Guyana ab.

Europäische Raketeningenieure wie Holsten werden nicht müde, auf die prächtige Bilanz der Ariane-4 hinzuweisen, die alles in allem 116 mal an den Start gerollt wurde. Nur in drei Fällen versagte sie. Die schubstärkste der sechs Ariane-4-Varianten konnte nahezu fünf Tonnen Nutzlast in die geostationäre Umlaufbahn hieven. In den 15 Jahren bis zum letzten Start einer Ariane-4 am 15. Februar 2003 sicherte diese Trägerrakete so Europas Vorsprung in dem lukrativen Weltraumgeschäft.

Im Schatten der Raumfahrt-Großmacht USA hatten die Europäer aus der Not eine Tugend gemacht und ein durchdachtes Transportsystem zur richtigen Zeit ausgetüftelt. Bis zu der Challenger-Katastrophe 1986 waren die USA sehr auf ihre Raumfähren fixiert. Ariane-Startaufträge gingen derweil zuhauf vor allem auch aus Ostasien und Südamerika ein.

Die später einbrechende Nachfrage, die sich sammelnde Konkurrenz und der problembeladene Übergang zur Ariane-5 ließen dunkle Wolken über dem Himmel von Kourou aufkommen. Wegen eines Computerfehlers endete der erste Start der Ariane-5 am 4. Juni 1996 im Funkenregen. «Auf dem Monitor im Bunker erschien wieder so ein Bild, das nicht zu fassen war», weiß Holsten noch. «Da flossen dann schon mal Tränen.» Auch die Premiere der noch stärkeren Ariane-5 «ten tons» fiel nach einem Triebwerksproblem im Dezember 2002 buchstäblich ins Wasser des Südatlantiks. Im Februar 2005 soll es einen neuen Starversuch geben. Holsten meint, dass die Kinderkrankheiten der Ariane-5 bald abgeklungen sein dürften: «Auch 25 Jahre nach ihrem Erststart hat die Ariane Zukunft.»

Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

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