Exoplanet um Proxima Centauri
Planet befindet sich in einer habitablen Zone und könnte Bedingungen für flüssiges Wasser erfüllen.
In einer Entfernung von etwas mehr als vier Lichtjahren ist Proxima Centauri der nächste Stern außerhalb unseres Sonnensystems und damit schon lange ein Liebling der Sciencefiction-Autoren. Nun haben Astronomen einen Planeten gefunden, der Proxima Centauri einmal alle 11,2 Tage in einem Abstand von sieben Millionen Kilometern umkreist – innerhalb eines Bereichs, in dem es möglicherweise die richtigen Bedingungen für die Entstehung von Leben gibt. Die Masse des Proxima Centauri b genannten Himmelskörpers liegt schätzungsweise bei 1,3 Erdmassen.
Abb.: Künstlerische Darstellung des neu entdeckten Planeten um Proxima Centauri, den der Erde nächsten Stern. (Bild: R. Ramirez, J. Jenkins / Universidad de Chile)
Auf dem Planeten müssen nicht zwangsläufig lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Aber trotz der großen Nähe zu seinem Heimatstern befindet sich das Objekt in der Region, die in der Astronomie habitable Zone genannt wird. Auf Planeten in der habitablen Zone rund um den Heimatstern können im Prinzip Temperaturen herrschen, welche die Existenz von flüssigem Wasser erlauben – eine entscheidende Voraussetzung für Leben, wie wir es von der Erde her kennen.
Proxima Centauri ist ein roter Zwergstern vom Spektraltyp M5.5Ve und daher deutlich masseärmer und leuchtschwächer als unsere Sonne: So besitzt Proxima nur rund zwölf Prozent ihrer Masse und lediglich 0,17 Prozent ihrer Leuchtkraft. Zwischen 70 und 80 Prozent aller Sterne in der Nachbarschaft unseres Sonnensystems sind rote Zwerge, und dieser Häufigkeitswert dürfte auch für den Rest unserer Heimatgalaxie repräsentativ sein. Andererseits ist wahrscheinlich, dass die Nähe von Proxima Centauri b zu seinem Stern zu gebundener Rotation führt. Das heißt, der Planet wendet dem Stern immer dieselbe Seite zu. Auf dieser Hälfte des Planeten würde bei hohen Temperaturen ewiger Tag herrschen, auf der anderen Hälfte ewige Nacht. Es ist unklar, wie Leben unter solchen ungünstigen Bedingungen entstehen kann.
Rote Zwerge mit einem Drittel oder weniger der Sonnenmasse sind komplett konvektiv. Sehr viele rote Zwerge, darunter auch Proxima Centauri, besitzen außerdem vergleichsweise starke Magnetfelder und weisen erhebliche stellare Aktivitäten auf. Dabei entstehen immer wieder Flares: plötzliche Freisetzungen von magnetischer Feldenergie, die zu kurzen, deutlichen Anstiegen der Sternhelligkeit führen. Die stellare Aktivität des Sterns erzeugt zudem hochenergetische Teilchen und Röntgenstrahlung, die den Planeten bombardieren. Auch das sind durchaus ungünstige Voraussetzungen für Leben.
Abb.: Künstlerische Darstellung der Oberfläche des neu entdeckten Exoplaneten um Proxima Centauri (Bild: ESO, M. Kornmesser)
Ein möglicher Nachweis von Leben, oder zumindest von chemischen Eigenschaften, welche die Existenz von Leben auf dem Planeten nahelegen, dürfte allerdings noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen. Trotzdem bietet das Objekt eine hervorragende Möglichkeit, die Systematik der Planetenentstehung in unserer Heimatgalaxie zu studieren.
Mehr als 3500 Exoplaneten haben die Astronomen mittlerweile gefunden. Die meisten Entdeckungen gehen auf das Konto des NASA-Weltraumteleskops Kepler, das die Helligkeit vieler verschiedener Sterne mit großer Genauigkeit bestimmt. Planeten, deren Umlaufbahnen genauso orientiert sind, dass sie aus Sicht eines Beobachters auf der Erde vor ihren Heimatsternen vorbeilaufen, schatten regelmäßig einen kleinen Teil ihres Sterns ab. In einem solchen Fall verliert der Stern in charakteristischer Weise vorübergehend etwas an Helligkeit. Auch bei Proxima Centauri haben Astronomen in der Vergangenheit nach solchen systematischen Helligkeitsschwankungen gesucht, allerdings ohne Erfolg. Das schloss aber nicht aus, dass Proxima einen Planeten besitzt. Vielmehr zeigte es, dass dort kein hinreichend großer Planet existiert, der von der Erde aus gesehen genau vor Proxima vorbeiläuft.
Jüngst schuf ein seltenes Zusammentreffen sogar die Chance für eine ungewöhnliche Form des möglichen Nachweises von Exoplaneten: Im Oktober 2014 und Februar 2016 zog Proxima Centauri von der Erde aus gesehen sehr nahe vor je einem anderen, weiter entfernten Stern vorbei. Dabei hätte der Mikro-Gravitationslinseneffekt zum Tragen kommen können. Besäße Proxima einen Planeten, der im entscheidenden Moment direkt vor einem der entfernteren Sterne vorübergezogen wäre, hätte die Masse des Planeten das Licht des Sterns abgelenkt und verstärkt. Die Folge: eine plötzliche, kurze Helligkeitszunahme auf Grundlage von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Doch auch dieser Nachweis gelang nicht. Offenbar war der vermeintliche Planet nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
So kam als drittes Verfahren auch die Radialgeschwindigkeitsmessung zum Einsatz: Sie weist winzige Hin- und Herbewegungen des Sterns nach, wie sie sich ergeben, wenn ein Stern und ein Planet unter Einfluss der Schwerkraft um ihren gemeinsamen Schwerpunkt kreisen. Diese Bewegung zeigt sich im Sternlicht. Es wird ein wenig zum blauen Ende hin verschoben, wenn sich der Stern auf die Erde zu bewegt, und zum roten Ende hin, wenn sich der Stern von der Erde entfernt. Sternspektren enthalten bestimmte Muster Tausender von schmalen, dunklen Linien. Präzisionsmessungen weisen die zeitabhängige Blau- und Rotverschiebungen dieser Linien nach und damit indirekt die langsame, durch den umkreisenden Planeten hervorgerufene Bewegung des Sterns.
Auch an Proxima Centauri wurden über die vergangenen Jahrzehnte hinweg entsprechende Messungen vorgenommen – jedoch wiederum erfolglos. Tatsächlich liegt die Masse des Planeten nahe an der Empfindlichkeitsgrenze moderner astronomischer Instrumente. Ein solches ist der Spektrograf HARPS am 3,6-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem chilenischen Berg La Silla. Im Jahr 2013 beobachtete ein Team um Guillem Anglada-Escudé, damals an der Universität Göttingen, den Stern Proxima Centauri und fand Hinweise auf die mögliche Existenz von Planeten mit Umlaufzeiten von 11,2, 13,6 und 18,3 Tagen.
Die Daten waren allerdings nicht aussagekräftig genug, die Astronomen konnten nicht ausschließen, dass es sich um Störeffekte handelte, die das Vorhandensein von Planeten lediglich vorspiegelten. Daher organisierte Anglada-Escudé eine gezielte Suche nach dem oder den Planeten von Proxima Centauri. Er nannte sein Projekt „Pale Red Dot“. Unterstützt von verschiedenen kleineren Teleskopen, welche die Helligkeit von Proxima überwachten, setzten die Forscher HARPS in 54 Nächten zwischen dem 18. Januar und dem 30. März 2016 ein.
Im Lauf der Beobachtungen verdichteten sich die Hinweise auf die Existenz eines Planeten. „Ich habe die Beobachtungsdaten jeder einzelnen Nacht unserer Kampagne auf ihre Stimmigkeit überprüft“, sagt Guillem Anglada-Escudé. „Die ersten zehn Tage waren bereits vielversprechend, die ersten 20 entsprachen unseren Erwartungen, und nach 30 Tagen war das Ergebnis so sicher, dass wir uns daran machten, den entsprechenden Fachartikel zu entwerfen.“ Allerdings war die Interpretation der Daten kompliziert: Wie erwähnt, ist Proxima Centauri aktiv und besitzt ein starkes Magnetfeld. Daher sollten in seiner Atmosphäre häufig dunkle, kühlere Flecken auftreten. Diese beeinflussen die Messungen der Radialgeschwindigkeit, weil sie das Spektrum verändern und im ungünstigsten Fall die Anwesenheit eines Planeten vorgaukeln.
Um die Beobachtungen abzusichern, müssen solche Effekte berücksichtigt werden. Ausgerechnet das Alpha-Centauri-System – ein Doppelsternsystem, das so nahe an Proxima steht, dass dieser sogar der dritte Partner im Bunde sein könnte – bietet ein mahnendes Beispiel: Zwischen 2012 und 2015 glaubten viele Astronomen, der erdnächste Exoplanet sei Alpha Centauri Bb, im Umlauf um Alpha Centauri B. Inzwischen gehen die Forscher jedoch davon aus, dass dieser Planet in Wirklichkeit gar nicht existiert.
Im Fall von Proxima Centauri ergibt sich letzte Sicherheit aus älteren Beobachtungen, die Martin Kürster vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und sein ehemaliger Doktorand Michael Endl (University of Texas) ausgeführt und gemeinsam mit Kürsters früherem Doktoranden Mathias Zechmeister (Universität Göttingen) analysiert hatten. Die Beobachtungen waren Teil einer systematischen Suche nach Begleitern von M-Sternen, vorgenommen im Zeitraum von 2000 bis 2007 mit dem UVES-Spektrografen am Very Large Telescope der ESO.
„Bereits in unseren alten Messungen zeigte sich ein Signal, das einem Planeten mit einer Umlaufdauer von 11,2 Tagen entspricht“, sagt Martin Kürster. Aber allein mit diesen Daten sei es unmöglich zu entscheiden, ob das Signal tatsächlich von einem Planeten stamme oder von einer zufälligen Kombination von Störeinflüssen herrühre. „Kombiniert man unsere Daten dagegen mit den neuen Messungen, dann bestätigt sich, dass die Pale-Red-Dot-Kampagne tatsächlich einen echten Planeten gefunden hat“, sagt Kürster. Ein Störsignal auf der Basis stellarer Aktivität wäre über die vergangenen 17 Jahre unmöglich so konstant geblieben.
MPIA / JOL