08.12.2010

Exoplaneten sorgen für Verwirrung

Die Planeten des Sterns HR 8799 dürften gar nicht existieren – und die Atmosphäre des Planeten WASP-12b widerspricht theoretischen Modellen.

Die Planeten des Sterns HR 8799 dürften gar nicht existieren – und die Atmosphäre des Planeten WASP-12b widerspricht theoretischen Modellen.
 

Die Entdeckung von Planeten bei anderen Sternen ist inzwischen Routine – die Anzahl dieser Exoplaneten hat die 500 überschritten. Die Beobachtung neuer Planeten ist daher kaum noch eine Meldung wert. Doch die Planeten von HR 8799 und WASP-12, über die zwei Forscherteams berichten, haben es in sich: Sie stehen im Widerspruch zu Theorien der Planetenentstehung und des Aufbaus von Planetenatmosphären.

HR 8799 ist bislang der einzige bekannte Stern mit mehreren Riesenplaneten in großem Abstand. Mehr noch: Die Planeten wurden nicht – wie zumeist üblich – indirekt entdeckt, sondern sind direkt beobachtbar. Bisher waren drei Planeten mit der sieben-, zehn- und nochmals zehnfachen Jupitermasse bekannt, die den Stern im Abstand von 68, 38 und 24 astronomischen Einheiten (AU) umkreisen. Eine astronomische Einheit ist der mittlere Abstand Erde-Sonne.

Abb.: Eine der Entdeckungsaufnahmen von HR 8799e, aufgenommen am Keck II-Teleskop. (Bild: NRC-HIA/C. Marois/Keck Observatory)

Jetzt berichten Christian Marols vom kanadischen Herzberg Institute of Astrophysics und seine Kollegen von einem weiteren, weiter innen gelegenen Planeten bei HR 8799. Er besitzt wiederum etwa die zehnfache Jupitermasse und kreist im Abstand von 14,5 AU. Und er wirft ein Problem auf: Die Konfiguration der vier Planeten lässt sich mit keinem der üblichen Entstehungsszenarien in Einklang bringen. Für das Gravitations-Kollaps-Modell kreist der neue Planet zu weit innen: Dort wäre die Gasscheibe um den jungen Stern nicht kühl genug und ihre Rotation zu schnell, um den Kollaps eines Wolkenfragments zu erlauben. Und für das Kern-Akkretions-Modell sind die Planeten zu weit vom Stern entfernt – die Entstehung würde länger dauern als die Lebensdauer des Sterns. Und auch eine weitere Erklärung scheidet aus, dass nämlich die Planeten weiter innen oder weiter außen entstanden sind und dann erst an ihre heutigen Orte migriert sind. Doch die Planeten sind zu massereich, um eine so weite Wanderung in der verfügbaren Zeit zu ermöglichen.

Für ein Rätsel ganz anderer Art sorgt der Planet WASP-12b. Der 2008 mit dem Transit-Verfahren aufgespürte "heiße Jupiter" hat die 1,4-fache Masse des solaren Jupiter und zieht seine Bahn im Abstand von 0,023 AU – etwa einem Vierzigstel der Entfernung Erde-Sonne. Mit einer Oberflächen-Temperatur von über 2200 Celsius zählt WASP-12b zu den heißesten unter den bekannten Planeten. Nikku Madhusudhan vom Massuchusetts Institute of Technology und seine Kollegen haben nun Beobachtungen des Spitzer Space Telescopes in mehreren Wellenlängenbereichen analysiert, um Informationen über die chemische Zusammensetzung und die thermische Struktur der Planetenatmosphäre zu erhalten.

Wie die Forscher berichten, enthält die Atmosphäre von WASP-12b erheblich mehr Kohlenmonoxid und Methan, dafür aber weniger Wasser als theoretische Modelle für einen Planeten dieser Temperatur vorhersagen. Das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff ist mit einem Wert von über 1 zudem so hoch, dass das Innere des Planeten nicht von Silikaten, sondern von Karbid dominiert sein muss. Der hohe Kohlenstoff-Anteil stellt die Astronomen auch deshalb vor ein Problem, weil er vermutlich signifikant höher ist als das Kohlenstoff-Sauerstoff-Verhältnis im Zentralstern des Planeten. Dieser ähnelt unserer Sonne, und der solare Wert beträgt 0,54.

Und auch die thermische Struktur der Atmosphäre deckt sich nicht mit den Vorhersagen der Theorie. Die Wissenschaftler haben mit einer thermischen Inversion ähnlich wie in der irdischen Stratosphäre gerechnet – doch die Spitzer-Daten zeigen keinerlei Anzeichen einer solchen Inversions-Struktur. Sowohl in der Theorie der Planetenentstehung als auch in den Modellen des Planetenaufbaus scheint es also noch einige Lücken zu geben.

Rainer Kayser


 

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