Experiment auf der ISS wiederbelebt
Reaktivierter Aufbau auf der Internationalen Raumstation bestätigt Ergebnisse und liefert interessante Zusatzinformationen.
Seit dem 21. Juni 2013 wird auf der ISS ein Strömungsexperiment betrieben, das dort fast zwei Jahre lang eingelagert war und ursprünglich nur für den einmaligen Betrieb konzipiert wurde. Die gelungene Wiederinbetriebnahme feiert das Wissenschaftsteam um Michael Dreyer vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen als einen technologischen Meilenstein.
Abb.: Przemyslaw Bronowicki kontrolliert den Experimentverlauf auf der ISS von der Bodenstation in Bremen. (Bild: ZARM)
Als das ZARM-Team von der NASA das Angebot erhielt, den Versuchsaufbau für ein Experiment von 2011 ein zweites Mal zu nutzen, war das Interesse groß. Es eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, an weitere wertvolle Experimentergebnisse zu gelangen, ohne die erheblichen zeitlichen und finanziellen Investitionen für den Transport zur Raumstation aufwenden zu müssen. Obwohl das Team aufgrund der Experimentreihen 2010 und 2011 mit der Überwachung und Steuerung von Versuchen auf der ISS bereits umfangreiche Erfahrungen vorweisen kann, stand es vor einer ungewohnten Herausforderung. Von der Bremer Bodenstation aus musste der Versuchsaufbau per Telemetrie wieder in einen kontrollierten Ausgangszustand versetzt werden. Dazu nahmen die Wissenschaftler in der „Capillary Channel Flow (CCF)“-Experimenteinheit, die das Verhalten von Zwei-Phasen-Strömungen (Flüssigkeit und Gas) untersucht, zunächst eine Phasentrennung vor. Aus dem Sammelbehälter mit einem Gas-Flüssigkeit-Gemisch wurde die Flüssigkeit abgesaugt und in das dafür vorgesehene Flüssigkeitsreservoir geleitet. Dieses gelang über eine Leitung – ähnlich einem Docht – dessen poröse Oberfläche dafür sorgt, dass nur Flüssigkeit aufgenommen und transportiert wird.
Dass im Rahmen dieser Arbeiten eine Kamera aus der Standardausrüstung der ISS am Experiment angebracht werden konnte, ist ein willkommener Nebeneffekt, durch den das Experiment noch präziser beobachtet und ausgewertet werden kann. Für die entsprechenden Instruktionen an den Astronauten zur Installation der Kamera sorgte der amerikanische Partner, die Portland State University in Oregon.
Die Reaktivierung der CCF-Experimenteinheit gelang in kürzester Zeit. Am 15. Juni 2013 begann der Astronaut Chris Cassidy mit dem Einbau in die „Microgravity Glove Box“, der Versuchskammer für Experimente unter Schwerelosigkeit. Bereits sechs Tage später starteten die Bodenstationen in Bremen und Portland via Telemetrie und Telecommand den regulären Betrieb des Versuchsgerätes zur Gewinnung von Datenmaterial. Neben der hervorragenden Arbeit der Bodenstationen in Bremen und Portland ist dieser Erfolg sicherlich auch der soliden Herstellung des Gerätes durch Astrium in Friedrichshafen zu verdanken. Der große Gewinn durch die ungeplante Wiederverwendung besteht unter anderem darin, die bei der erfolgreichen Reaktivierung gewonnenen Erkenntnisse zu dokumentieren und damit bei der Konzeption zukünftiger Zwei-Phasen-Versuchsaufbauten zu berücksichtigen.
Abb.: Darstellung der CCF-Experimentiereinheit (farbig) eingebaut in der Microgravity Science Glovebox (transparent grau). (Bild: ZARM)
Da die aktuellen Experimentdaten die Ergebnisse von 2011 exakt bestätigen, ist nachwiesen, dass die Versuchsanlage reproduzierbare Konditionen und Ergebnisse liefert. Dadurch können einerseits die geplanten Versuchsreihen mit weiteren Datenpunkten vervollständigt werden. Andererseits – und das ist für die Forscherinnen und Forscher aus dem ZARM ein spannender Aspekt – ermöglicht die zusätzlich gewonnene Experimentzeit von vier Wochen die Untersuchung von bisher nicht berücksichtigten Fragestellungen. „Extra science“ nennt die NASA diese Forschung außerhalb des regulären Stundenplans.
ZARM / CT