Extrem intensiv
Mit der Bewilligung von fast 180 Millionen Euro gab die Europäische Kommission grünes Licht für das rumänische Teilprojekt der Extreme Light Infrastructure.
Mit Rumänien verbindet man spontan die Moldau, die Walachai oder Legenden über mysteriöse Blutsauger, die Physik eher nicht. Doch das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Denn Mitte September gab die Europäische Kommission grünes Licht für die erste Großforschungsanlage in Rumänien. Die EU stellt dafür zunächst 180 Millionen Euro aus den Strukturfonds bereit, für die zweite Projektphase ab 2016 sind weitere knapp 180 Millionen erforderlich. Von dem Geld hätte Rumänien auch Straßen bauen können, stattdessen soll in der kleinen Stadt Mgurele südlich von Bukarest in den kommenden Jahren die Extreme Light Infrastructure – Nuclear Physics (ELI-NP) entstehen. Bei dieser Anlage handelt es sich um ein Teilprojekt der Initiative „Extreme Light Infrastructure“, die komplett in Osteuropa angesiedelt ist und bereits 2006 vom Europäischen Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) in seine Roadmap aufgenommen wurde. Vor rund anderthalb Jahren fiel der Startschuss für das erste Teilprojekt in Tschechien – ein Hochintensitätslaser mit bis zu 20 PW. Am dritten Standort, in Ungarn, wird es um die Untersuchung ultraschneller Elektronendynamik mithilfe von Attosekundenpulsen gehen. Insgesamt rund eine Milliarde Euro fließt in die Extreme Light Infrastructure. „Die Laser von ELI erlauben eine derartige Intensität und Kontrolle, dass spannende neue Physik zu erwarten ist“, erklärt Christoph Keitel vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik, der zum Scientific Advisory Board der beiden Teilprojekte in Rumänien und Tschechien gehört. „Bei ELI initiieren Laser sogar Hochenergiereaktionen, das Vakuum fluktuiert verstärkt, und es kann zu Paarerzeugung kommen.“
Im rumänischen Mgurele, nahe der Hauptstadt Bukarest, soll 2015 die Extreme Light Infrastructure – Nuclear Physics in Betrieb gehen. Diese Anlage ermöglicht völlig neuartige Experimente in der Kernphysik (Abb. ELI-NP)
Die Anlage ELI-NP ist Fragen der Kernphysik gewidmet und besteht aus einem hochintensiven Laser (10 bis 30 PW) und einem brillanten, kohärenten Gammastrahl (bis zu 19 MeV), der aus der Wechselwirkung zwischen Laserstrahlung und Elektronen entsteht. Beide Komponenten lassen sich kombinieren oder einzeln nutzen. Dank ihrer einzigartigen, bislang unerreichten Eigenschaften erlauben sie neuartige Experimente; beispielsweise ist die Gammastrahlung intensiv genug, um die innere Struktur von Atomkernen zu analysieren. Von der neuen Anlage erhofft sich Christoph Keitel einen großen Schub in der Kernphysik, der demjenigen in der Atomphysik gleicht, als erstmals kohärentes Licht zur Verfügung stand und sich die Quantenoptik entwickelte. Modellrechnungen deuten an, welche Effekte bei der ELI-NP auftreten könnten. „Aber es wird natürlich auch viele überraschende Entdeckungen geben“, ist Keitel überzeugt. Von der Lichtquelle in Mgurele sollen etliche Teilgebiete der Kernphysik profitieren, es geht nicht nur um Grundlagenphysik oder die Aufklärung nuklearer Prozesse in der Astrophysik, sondern auch um verschiedene Anwendungen. So werden beispielsweise Materialuntersuchungen möglich oder die Herstellung neuer Isotope, die sich für medizinische Zwecke eignen könnten. Auch ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise die Wechselwirkung der generierten Gammastrahlung mit Nukliden in radioaktivem Abfall von Interesse, um hoffentlich Strategien zu entwickeln, wie sich dieser Abfall sicher reduzieren ließe.
Etwa in fünf Jahren soll die Anlage in Betrieb gehen. Ein rumänisches Team hat bereits alles für den Bau vorbereitet. Zum Konzept der neuen Lichtquelle hat eine internationale Community beigetragen, zu der auch zahlreiche deutsche Wissenschaftler zählen, beispielsweise vom DESY, von der Gesellschaft für Schwerionenforschung, vom MPI für Kernphysik oder vom Max-Born-Institut. Die Lichtquelle wird der wissenschaftlichen Gemeinde offen stehen – über Anträge auf Messzeit werden internationale Fachkomitees entscheiden. Ein physikalisch derart ehrgeiziges Projekt wie ELI in Osteuropa zu realisieren, wo bislang keine einzige Großforschungsanlage in der Physik steht, ist für alle beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Herausforderung. „Aber alle Zeichen stehen gut, dass das klappen wird, denn dort herrscht viel Enthusiasmus“, meint Christoph Keitel und hebt hervor „Die osteuropäischen Länder erhalten mit ELI die Riesenchance, international stark sichtbar zu werden.“ Wer mit extrem starken Laserfeldern in Europa arbeiten möchte, wird das künftig besonders gut in Tschechien, Rumänien und Ungarn tun können.
Maike Pfalz