06.09.2022

Exzitonen haben den Dreh raus

Ultraschnelle Oszillationen bei Exzitonen sind interessant für Quantengatter.

Dass aus Licht Strom gewonnen werden kann, erscheint für uns durch die Allgegen­wärtigkeit von Solarzellen ganz normal. Dies basiert auf dem physikalischen Phänomen, dass in manchen Materialien durch die Absorption von Licht freie Ladungsträger erzeugt werden. Ein zuvor fest gebundenes Elektron wird dabei in einen frei beweglichen Zustand gehoben. An der Stelle, an der es zuvor saß, fehlt nun ein Elektron. Es ist ein Loch entstanden: Dieses lässt sich als Quasi­teilchen mit positiver Ladung beschreiben. In einer Solarzelle werden diese freien Elektronen und Löcher voneinander getrennt. Führt man sie wieder zusammen, entsteht elektrischer Strom. Möchte man diese Elektronen und Löcher beschreiben, so kann man ihnen eine Masse, eine Ladung, eine Energie, einen Impuls und einen Eigen­drehimpuls zuordnen.

 

Abb.: Die Abbildung zeigt schematisch die Pseudospin-Oszillationen im externen...
Abb.: Die Abbildung zeigt schematisch die Pseudospin-Oszillationen im externen Magnet­feld und die exzitonischen Quasi­teilchen. Im Hintergrund sieht man ein schematisches Bild der Multilagen­struktur. (Bild: AG Schüller / U. Regensburg)

Durch die elektrostatische Anziehung zwischen den negativ geladenen Elektronen und den positiv geladenen Löchern kann es unter bestimmten Voraus­setzungen in manchen Materialien für die Elektronen und Löcher zudem günstig sein, einen gebundenen Zustand einzugehen: ein Exziton. Er ähnelt einem Wasserstoffatom, welches aus einem Proton und einem Elektron besteht und kann mit demselben Modell beschrieben werden. Besonders stabil treten diese Exzitonen in der Material­klasse der Übergangs­metall­dikalkogenide (englisch abgekürzt TMDCs) auf.

Prominente Übergangsmetalle sind zum Beispiel Wolfram und Molybdän. Ersteres ist von Glühlampen bekannt, zweiteres ist ein sehr gängiges Schmiermittel, welches auch in den meisten Motorenölen für minimale Reibung sorgt. Bekannte Vertreter der Selenide sind Schwefel und Selen, welche auch oft in unseren Nahrungs­mitteln als Spurenelemente vorkommen. TMDCs sind ein Verbund aus beiden Elementen mit ganz neuen Eigenschaften. Dabei werden die Atome der Übergangsmetalle in einem honigwabenförmigen Netz von Seleniden eingeschlossen. Da die Atomanordnung regelmäßig ist, handelt es sich um einen kristallinen Festkörper, genauer um einen Halbleiter. Diese Kristalle lassen sich verblüffend einfach aufspalten, so dass es möglich ist, Schichten herzustellen, die nur wenige Atome dick sind. Aufgrund der sehr starken Licht-Materie-Wechselwirkung, dem minimalem Ressourcen­verbrauch und der direkten Bandlücke sind TMDCs vielversprechende Kandidaten für Anwendungen wie LEDs, Laser, Photo­detektoren, Solarzellen oder auch Transistoren.

An diesen hauchdünnen Materialien haben die Wissenschaftler aus den Gruppen um Christian Schüller und Jaroslav Fabian erstmalig ultraschnelle quantenmechanische Oszillationen von verschiedenen Exzitonen­arten beobachten können. In dem betrachteten System haben Exzitonen eine Lebensdauer von einigen Dutzend Pikosekunden.

Um die Dynamik dieser Quasiteilchen zu untersuchen, müssen diese deshalb mit einem deutlich kürzeren Lichtblitz erzeugt werden. Hierbei spielt die Polarisation des Lichtblitzes eine entscheidende Rolle, denn in den TMDCs ist die Polarisation des anregenden Lichts mit der Spin-Ausrichtung der Ladungsträger verknüpft. Ein Lichtquant mit linkszirkular polarisiertem Licht erzeugt immer ein Elektron mit positivem Spin, welches wiederum ein Loch mit negativem Spin hinterlässt. Für rechtszirkular polarisiertes Licht verhält es sich genau andersherum. Die dadurch entstehenden Exzitonen haben insgesamt jedoch wieder einen Gesamtspin von Null, weil sich die Spins der einzelnen Komponenten aufsummieren. Dieser Spin-Zustand wird als Pseudo-Spin bezeichnet, da die Exzitonen trotz einem Gesamtspin von Null die Information der Spinausrichtungen von Elektron und Loch beinhalten. Der Pseudo-Spin ist also eine zusätzliche quanten­mechanische Eigenschaft der Exzitonen, welche direkt mit zirkular polarisiertem Licht adressiert werden kann. Somit entsteht ein sehr vielversprechender Informations­träger für optische Telekommunikation oder auch für Quanten-Computing. Die Regensburger Physiker konnten eine kohärente Kopplung der beiden Pseudospin-Exzitonen-Spezies beobachten. Um eine genügend starke Kopplung der beiden Pseudo-Spin-Zustände zu erreichen, wurden Magnetfelder von bis zu zehn Tesla erzeugt: Das entspricht dem Hundert­tausendfachen des Erdmagnetfelds.

Die Kopplung von Magnetfeld und Spins verursacht ein Hin- und Herschwingen zwischen den beiden Zuständen. „Dies mag zunächst nicht so aufregend erscheinen, ist aber aus physikalischer Sicht wirklich verblüffend“, sagt der Erstautor der Studie, Simon Raiber. „Der beobachtete Effekt lässt sich mit einem Kreisel vergleichen, der nach dem Andrehen immer wieder seine Drehrichtung wechselt.“ Der Änderung der Drehrichtung entspräche ein Wechsel des oben erklärten Pseudo-Spins. Aus der Perioden­dauer der Schwingung, also der Zeit, die es dauert, bis der Pseudo-Spin hin und her wechselt, kann darüber hinaus auch die energetische Verschiebung der exzitonischen Zustände sehr präzise bestimmt werden. Die Zustände unterscheiden sich je nach Anregungs­polarisation nicht nur in ihrem Pseudo-Spin, sondern auch in ihrer Energie, was für diese Magnetfeld­ausrichtung bislang noch nicht bekannt war. Theoretische Modellierungen konnten die experimentell beobachtete Energie-Aufspaltung bestätigen. Die Untersuchungen bilden die Grundlage für die kohärente Manipulation der Pseudo-Spins auf ultraschneller Zeitskala. Dies könnte in der Zukunft die Realisierung von Quantengattern ermöglichen.

U. Regensburg / DE

 

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