01.06.2012

Feldtheorie auf dem Quantencomputer

Effiziente Quantenalgorithmen könnten Verhalten von Elementarteilchen berechnen.

Noch gibt es den universellen Quantencomputer nicht, der Millionen von Qubits oder Quantenbits verarbeitet und damit komplexe Probleme lösen kann, von denen Elektronenrechner überfordert sind. Doch seine Möglichkeiten werden schon jetzt intensiv erforscht. Nun haben Physiker in den USA nachgewiesen, dass ein Quantencomputer mit dem richtigen Algorithmus auch Gleichungen lösen kann, die in Quantenfeldtheorien auftreten und das Verhalten von Elementarteilchen beschreiben.

Abb.: Simulierter Teilchenschauer mit Higgs-Boson. Im Prinzip könnte ein Quantencomputer solche Kollisionen beliebig genau berechnen. (Bild: CERN)

Richard Feynman hatte schon 1982 vorgeschlagen, mit einem Quantencomputer ein Quantenvielteilchensystem oder eine Quantenfeldtheorie zu simulieren, deren kompliziertes Verhalten mit herkömmlichen Computern entweder nur sehr ungenau oder gar nicht berechnet werden kann. Inzwischen hat man verschiedene Quantenalgorithmen für Vielteilchensysteme entwickelt und einige von ihnen auch schon mit rudimentären Quantencomputern getestet, die ein paar Quantenbits verarbeiten konnten.

Stephen Jordan vom NIST in Gaithersburg und seine Kollegen haben nun theoretisch gezeigt, dass man mit einem universellen Quantencomputer für eine gegebene Quantenfeldtheorie berechnen kann, wie miteinander kollidierende Teilchen gestreut werden. Dabei simuliert der Quantencomputer die Kollisionen nicht, sondern er berechnet nach einem bestimmten Algorithmus die exakte Zeitentwicklung des Quantenfeldes mit einer vorgegebenen Genauigkeit.

Quantenfeldtheorien, in denen Wechselwirkungen auftreten, lassen sich in der Regel nicht exakt lösen. Man ist deshalb auf Näherungsverfahren angewiesen. Im Falle der Quantenelektrodynamik, die die elektromagnetische Wechselwirkung beschreibt, kann man physikalisch interessante Größen (etwa die Wahrscheinlichkeit für die Elektron-Photon-Streuung) nach Potenzen der Feinstrukturkonstanten α≈1/137 entwickeln und mit Feynman-Diagrammen berechnen.

Diese Entwicklung ist möglich, da die elektromagnetische Kopplung schwach und die „Kopplungskonstante“ α kleiner als 1 ist. Für die starke Wechselwirkung zwischen den Quarks, bei der die Kopplungskonstante größer als 1 ist, versagt dieses systematische Näherungsverfahren. Stattdessen muss man äußerst aufwendige und ungenaue Computerberechnungen durchführen, bei denen die auftretenden Felder auf ein Raumgitter beschränkt sind und statistisch ausgewertet werden.

Jordan und seine Kollegen gehen anders vor. Sie zeigen am Beispiel der φ4-Theorie, die modellartig die Selbstwechselwirkung eines Quantenfeldes φ(x,t) beschreibt, wie man mit einem Quantencomputer einen Anfangszustand präpariert, ihn im Einklang mit der Theorie zeitlich entwickelt und schließlich den sich ergebenden Endzustand analysiert. Für den Erfolg des Verfahrens ist es unerheblich, ob die Wechselwirkung schwach oder stark ist.

Für die Berechnungen mit dem Quantencomputer muss der Raum, in dem sich das Quantenfeld entwickelt, diskretisiert werden. Doch der dadurch verursachte Rechenfehler lässt sich abschätzen und ist umso kleiner, je feiner man das Raumgitter macht. Welchen Wert das Quantenfeld an einem Gitterpunkt hat, wird jeweils durch ein Register von Qubits repräsentiert. Dazu muss auch dieser Wert diskretisiert werden. Der dadurch verursachte Fehler lässt sich allerdings ebenfalls abschätzen.

Nun muss das Quantenfeld in einen Anfangszustand gebracht werden, der mehreren voneinander isolierten Wellenpaketen entspricht, die jeweils ein Teilchen repräsentieren. Dazu geben Jordan und seine Kollegen ein Verfahren an, mit dem der Quantencomputer zunächst den teilchenfreien „Vakuumzustand“ präpariert und dann die gewünschten Teilchen erzeugt. Anschließend wird das Quantenfeld in diskreten Zeitschritten entwickelt, sodass die Teilchen miteinander kollidieren können, wobei eventuell weitere Teilchen entstehen. Auch der von dieser Diskretisierung verursachte Fehler lässt sich abschätzen und durch Verkleinerung der Zeitschritte verringern.

Schließlich wird der Ausgang der Kollision ausgewertet. Dazu kann zum Beispiel die Energie und der Impuls des Feldes in allen Gitterpunkten – repräsentiert durch Qubits – gemessen werden. Wie in der Quantenphysik üblich, hängt das Messergebnis vom Zufall ab. Deshalb muss man das Kollisionsexperiment im Quantencomputer vielfach wiederholen, um statistische Aussagen über die dabei entstehenden Teilchen machen zu können.

Vorausgesetzt man kann die Entwicklung von bosonischen und fermionischen Feldern verlässlich auf dem Quantencomputer berechnen, wäre es möglich, die exakten Vorhersagen des Standardmodells der Elementarteilchen mit kontrollierbaren Fehlern zu berechnen. Allerdings würde man dazu eine sehr große Zahl von perfekt kontrollierten Qubits benötigen. Für nichttriviale Berechnungen selbst im Rahmen der „simplen“ φ4-Theorie in zwei Raumdimensionen bräuchte man, nach Schätzung der Forscher, schon zwischen 1000 und 10.000 Qubits. Es wird also noch ein wenig dauern, ehe die Teilchenphysiker ihre Experimente mit dem Quantencomputer machen können.

Rainer Scharf

PH

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