04.09.2015

Festere Kohlenstoff-Fasern aus Graphenflocken

Neues Verfahren erhöht Zugfestigkeit und elek­tri­sche Leit­fähig­keit – opti­mierte Kom­posit-Werk­stoffe mög­lich.

Seit gut zehn Jahren loten Physiker die Anwendungsmöglichkeiten hauch­dünner Graphenschichten aus. Dieses einzigartige zweidimensionale Material zeigt eine enorme Festigkeit bei herausragenden thermischen und elektrischen Leitfähigkeiten. Auch zum Spinnen stabiler, dreidimensionaler Fasern eignet sich Graphen. Doch die bisher gefertigten Fäden leiten Strom und Wärme relativ schlecht. Dieses Problem konnte nun eine Forschergruppe aus den USA lösen. Mit einer neuen Fertigungsmethode konnten die Wissenschaftler sowohl die hohe Festigkeit als auch die gute elektrische Leitfähigkeit von Graphen-Schichten auf die neuen Fasern übertragen.

Abb.: Unter dem Mikroskop: Hochfeste Kohlenstoff-Fasern aus zahlreichen Schichten großer und kleiner Graphenflocken. (Bild: J. Lian et al.; RPI)

Jie Lian und seine Kollegen vom Rensselaer Polytechnic Institute erreichten ihr Ziel mit etwa einen Zehntel Millimeter dicken Graphenfasern, die sich aus unterschiedlich großen Graphenoxid-Flocken spinnen ließen. Ausgangs­substanz der Faserfertigung war fein gemahlenes Grafit-Pulver, das die Forscher mehrmals in konzentrierte Schwefelsäure mischten, über einen Tag auf achtzig Grad erhitzten und wieder trockneten. Durch die Zugabe des Oxidationsmittels Kaliumpermanganat entstanden in der Dispersion größere Graphenoxid-Flocken mit etwa zwanzig Mikrometer Durchmesser. Diese ließen sich in einem Ultraschallbad in kleinere Flocken mit knapp einem Mikrometer Durchmesser zerkleinern.

Die Forscher vermischten danach große und kleine Graphenoxid-Flocken in einem Lösungsmittel. Diese Flocken-Mischung spritzten sie durch eine feine Düse in eine schnell rotierende Lösung mit Cetrimoniumbromid, das auch als Desinfektionsmittel Verwendung findet. Bei diesem Nassspin-Prozess entstanden die gewünschten Fasern von einigen Millimeter Länge, die darauf aus der Lösung gefiltert und getrocknet werden konnten.

Unter dem Mikroskop offenbarte sich der mehrschichtige Aufbau der Fasern. In Faserrichtung gleichmäßig ausgerichtet wechselten sich kleinere und größere Graphenoxid-Flocken regelmäßig ab und füllten so den zur Verfügung stehenden Raum sehr gut aus. Erhitzt auf bis zu 2850 Grad Celsius konnten die Flocken thermisch reduziert werden. Dank dieser Reduktion stieg die elektrische Leitfähigkeit der Fasern deutlich auf fast 20.000 Siemens/Meter an. Die Stabilität der Fasern erhöhte sich bereits beim Erhitzen auf 1.800 Grad Celsius. Mit bis zu 1080 Megapascal lagen die Werte für die Zugfestigkeit sogar über denen von modernen Stahllegierungen.

Unerwünscht war bei dieser Hitzebehandlung allerdings, dass oberhalb von 1.800 Grad Celsius auch die thermische und elektrische Leitfähigkeit wieder abnahmen. So müsste für einen idealen Kompromiss zwischen Festigkeit und Leitfähigkeit die Methode noch weiter verfeinert werden. Insgesamt zeigt diese Studie jedoch, dass Kohlenstofffasern aus Graphen eine hohe Stabilität mit guter elektrischer und thermischer Leitfähigkeit vereinen können. Bis­herige Verfahren mit einer zusätzlichen Dotierung etwa mit Silberpartikeln wären damit überflüssig. Vor einer Anwendung in neuen Komposit-Materialien für den Leichtbau, in widerstandsfähigen Stromleitungen oder der Leistungs­elektronik müsste das Verfahren aber weiter optimiert werden, um große Fasermengen günstig herstellen zu können.

Ob in Zukunft faserverstärkte Kunststoffe mit Graphenfasern entwickelt werden, lässt sich aus heutiger Sicht noch nicht beurteilen. Denn auch andere Kohlenstoff-Materialien, allen voran mehrwandige Nanoröhrchen, eignen sich für eine Faserfertigung. Graphen bietet bislang den Vorteil, dass es sich deutlich günstiger als Nanoröhrchen herstellen lässt. Dieser Vorsprung könnte aber durch das bisher notwendige und in der Massen­fertigung kostspielige Aufheizen auf über 2.500 Grad Celsius empfindlich schrumpfen.

Jan Oliver Löfken

RK

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