19.11.2015

Flimmernde Pixel

Hellig­keits­schwankungen einer Galaxie erlauben Rück­schlüsse auf veränderliche Sterne.

Große Galaxien enthalten mehrere hundert Milliarden Sterne. Darunter sind zwar auch viele veränderliche Sterne, doch in der integrierten Strah­lung einer ganzen Galaxie sollten deren Variationen sich gegen­seitig aufheben. Anders stellt sich die Situation im „halb aufgelösten“ Bereich auf, wenn das Licht einer Galaxie sich über bis zu eine Million Pixel verteilt. Dann fällt die Zahl der Sterne pro Pixel so weit ab, dass veränder­liche Sterne zu mess­baren Variationen der Pixelhelligkeit führen können. Das gilt insbesondere für die Sterne im asympto­tischen Riesenast (asymptotic giant branch, AGB), wie Charlie Conroy und Jieun Choi von der Harvard University in Cambridge, sowie Pieter van Dokkum von der Yale University in New Haven jetzt zeigen.

Abb.: Hubble-Auf­nahme der großen ellip­tischen Galaxie M87. Zu erkennen ist der Materiestrahl, der vom zentralen super­massereichen schwarzen Loch der Galaxie ausgeht. (Bild: NASA/ESA)

Bei dieser späten Ent­wicklungs­phase von Sternen mit Massen im Bereich von 0,6 bis 10 Sonnen­massen handelt es sich um rote Riesen, deren Hellig­keit sich auf Zeit­skalen von bis zu tausend Tagen um mehr als das Drei­fache ändern kann. Die drei Forscher haben zunächst, ausgehend von den derzeit besten Stern­entwicklungs­modellen, eine Computer­simulation der Sternen­population der ellip­tischen Galaxie M87 entwickelt. Die Verteilung von Perioden und Amplituden der AGB-Sterne passte das Trio dabei an Daten an, die von der OGLE-Durch­musterung über die Bulge der Milch­straße gewonnen worden waren. Dann simulierten Conroy und seine Kollegen Beo­bach­tungen mit einer Auflösung von 0,2" × 0,2" – und erhielten Helligkeits­schwan­kungen bis zu einem Prozent auf typischen Zeit­skalen von einhundert Tagen.

Zum Vergleich zogen die Forscher dann 52 Auf­nahmen von M87 heran, die das Hubble Space Telescope im Jahr 2005 in einem Zeitraum von 72 Tagen gewonnen hatte. Mit­hilfe der Positionen von Kugel­stern­haufen im Bild­feld konnten Conroy und seine Kollegen dabei die exakte Aus­richtung gewähr­leisten. Pixel, die um mehr als dreißig Prozent von einem geglätteten Modell abwichen, wurden als Aus­reißer eliminiert – neben Arte­fakten handelt es sich hier vor allem um Kugel­stern­haufen und Hinter­grund­galaxien. Weiter­hin wurden die Zentral­region und der Materie­jet maskiert. Die ver­blei­benden Pixel zeigen kohärente Variationen, die quali­tativ gut mit den simulierten Licht­kurven über­ein­stimmen. Allerdings zeigt nur etwa ein Viertel der Pixel statis­tisch rele­vante Variationen – und gerade darin sieht das Trio einen Beleg dafür, dass es sich in der Tat um einen Effekt durch die roten Riesen handelt. Denn zufällige Schwan­kungen durch instru­mentelle Ein­flüsse müssten gleich­mäßig in allen Pixeln auf­treten.

Es handelt sich nicht um den ersten Nachweis von zeitlichen Schwan­kungen in den Bildpixeln von Galaxien – mit ähnlichen Ver­fahren haben andere For­scher­­gruppen bereits Novae aufgespürt und den Mikro-Gravitations­linsen­effekt nach­gewiesen. Auch Conroy und seine beiden Kollegen stießen in den Hubble-Daten quasi nebenbei auf 15 Novae in M87. Doch bei Novae und Mikro-Gravi­tations­linsen handelt es sich um vergleichs­weise seltene Ereig­nisse, wie die drei Forscher betonen, während die AGN-Sterne ständig eine große Zahl von Pixeln zum Flimmern bringen.

Die Methode könnte in Zukunft beispiels­weise genutzt werden, um un­ab­hängig von konventionellen Verfahren das Alter von Sternen­populationen zu bestimmen, da das Alter die Ver­teilung der Perioden der AGN-Sterne beein­­flusst. Und die Häufigkeit der Pixel-Variationen erlaubt Rück­schlüsse auf die Zeitspanne, die Sterne in ihrer späten Entwicklung auf dem asympto­tischen Riesen­ast verbringen. So zeigt der Ver­gleich der Hubble-Daten mit den Computer­modellen, dass die AGN-Phase in M87 etwa um dreißig Pro­zent kürzer ist, als es die derzeit besten Stern­entwick­lungs­modelle vorher­sagen. Das, so Conroy, Choi und van Dokkum, könnte an dem hohen Anteil an schweren Ele­menten in M87 liegen.

Rainer Kayser

SK

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