Flüsse formten Titan-Landschaft
Vergleich von Flusstälern auf Erde, Mars und dem Saturnmond Titan gibt Hinweise auf deren geologische Entwicklung.
Gleich mehrere Himmelskörper unseres Sonnensystems zeigen eindrucksvoll den Einfluss von Fließgewässern auf die Landschaft. Neben den Flussläufen unserer Erde zählen hierzu nicht nur die staubigen Flussbetten unseres ausgetrockneten Nachbarn Mars, sondern auch die Kohlenwasserstoff-Flüsse des Saturnmonds Titan. Ein internationales Team von Wissenschaftlern um Benjamin Black vom City College of New York hat deshalb nun die Topographie dieser Flusstäler und ihren Zusammenhang mit der Landschaft untersucht, in die sie eingebettet sind. Dabei stießen die Wissenschaftler auf interessante Zusammenhänge zwischen kurz- und länger-reichweitigen Korrelationen zwischen Fließrichtungen und Geländeform, die Aufschluss über die geschichtliche Entwicklung der unterschiedlichen Geologien geben.
Abb.: Die Flusslandschaft Ligea Mare auf dem Saturnmond Titan, aufgenommen mit dem Synthetic Aperture Radar der Saturnsonde Cassini. (Bild: NASA)
So konnten die Forscher beim Vergleich verschiedener Topographien von Flussläufen und den durch sie geprägten Landschaften eine Reihe von Formationen ausfindig machen, die auf den ersten Blick recht ungewöhnlich aussahen. Gerade auf der Erde folgen die Fließrichtungen von Flüssen nicht unbedingt dem Gefälle der Landschaft, sondern sind mit diesem oft nur schwach korreliert. Teilweise schneiden sie sich sogar durch ansteigendes Gelände oder laufen ein ganzes Stück weit beinahe ebenerdig, anstelle der natürlichen Neigung des Bodens zu folgen.
Die Erklärung für solche auffälligen Abweichungen vom kürzesten Weg talwärts liegt in der geologischen Geschichte der unterschiedlichen Himmelskörper. Auf der Erde liegen besonders dynamische Bedingungen vor: Sie hat nicht nur eine aktive Plattentektonik, sondern auch einen im Vergleich besonders schnellen Wasserkreislauf. Dieser versorgt die Flussläufe mit ausreichend Wasser, um in geologisch kurzen Zeiten Flussbetten durch Erosion „auszuschleifen“. Andererseits zwingen Ereignisse wie etwa die Entstehung von Gebirgen Flüsse zur Umorientierung.
Auf dem Mars hingegen zeigt sich ein etwas anderes Bild: Hier gibt es einen wesentlich stärkeren Zusammenhang der Orientierung von Flusstälern und dem Neigungsgradienten der Oberfläche. Dies deutet darauf hin, dass sich die Flusstäler entlang einer schon vorhandenen Topographie gebildet haben. Offenbar kann hier Plattentektonik keine oder zumindest keine größere Rolle gespielt haben. Allerdings werden solche Fragen in Zukunft noch im Detail zu klären sein, denn es gibt durchaus Indizien, die für Plattentektonik auf dem Mars sprechen. So deuten manche Forscher bestimmte Verwerfungszonen des riesigen Grabensystems Valles Marineris durch plattentektonische Einflüsse – allerdings ist diese These durchaus nicht unumstritten.
Die Orientierungen von Flusstälern auf dem Mars scheinen jedenfalls nicht durch Plattentektonik beeinflusst zu sein. Zwar ist die Übereinstimmung zwischen Fließrichtungen und Geländeneigung auch auf dem Mars nicht perfekt. Aber die Wissenschaftler haben anhand verschiedener Modelle herausgefunden, dass diese Abweichungen ebensogut durch Einschlagkrater von Meteoriten stammen können. Größere Einschläge scheinen aber nur vor langer Zeit stattgefunden zu haben, insbesondere zur Zeit des großen Bombardments vor rund vier Milliarden Jahren. Im Gegensatz zur Erde folgen die Flusstäler auf dem Mars dem Gelände und durchschneiden es nicht. Die Topographie der Flusstäler auf dem Mars spricht nach Ansicht der Forscher deshalb gegen eine Plattentektonik in jüngerer Zeit, als die Flusstäler sich herausbildeten. Stattdessen spricht sie für langreichweitige geologische Veränderungen wie etwa thermische Expansionen oder Kontraktionen der Marskruste.
Titan besitzt genau wie die Erde einen aktiven Flüssigkeitskreislauf. Dieser besteht jedoch nicht aus Wasser, sondern aus Kohlenwasserstoffen wie etwa flüssigem Methan. Titan ist nicht so präzise kartographiert wie die Erde oder der Mars, aber anhand der Daten des Synthetic Aperture Radars der Saturnsonde Cassini konnten die Forscher 71 Fluss-Netzwerke in hinreichender Auflösung analysieren. „In vielerlei Hinsicht ähneln die Landformen, die wir auf Titan sehen, denen auf der Erde, inklusive Tälern, Becken und Bergen“, sagt Benjamin Black. „Das ist faszinierend, denn beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass Titans Netzwerk aus Flüssen diese Formen trotz einer von der Erde ganz verschiedenen tektonischen Geschichte zeigt.“
So konnten die Forscher an Titans Nordpol tiefe Flusstäler ausmachen, die durch den aus tiefgefrorenem Eis bestehenden Boden schneiden. Bei niedrigeren Breitengraden hingegen ist die Topographie etwas weniger dramatisch. Anscheinend bestehen am Nordpol geologische Prozesse mit kürzerer Ausdehnung für die Unterschiede bei den Fließgewässern. Andere Studien hatten bereits Indizien für tektonische Prozesse an Titans Südpol geliefert – diese deuten Gleiches nun am Nordpol an. Insgesamt ähnelt die Fluss-Topographie jedoch stärker derjenigen des Mars, was angesichts einer fehlenden globalen Plattentektonik zu erwarten war.
In Zukunft wollen die Wissenschaftler auch noch andere Gesteinsplaneten unseres Sonnensystems analysieren. Die Untersuchung der Geologie anderer Planeten muss sich dabei nicht auf dauerhafte Fließgewässer beschränken. Anhand der entwickelten Modelle wollen die Forscher insbesondere den Fluss vulkanischer Lava analysieren, die ebenfalls Aufschluss über die geologische Geschichte liefern kann – etwa auf der Venus.
Dirk Eidemüller
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