04.10.2017

Freon-40 kein Indikator für Leben

Organohalogen wurde im Gas um einen jungen Stern und einen Kometen entdeckt.

Auf der Grundlage von Daten, die mit dem Atacama Large Milli­meter/Submilli­meter Array ALMA in Chile und dem ROSINA-Instru­ment der Rosetta-Mission der ESA erfasst wurden, hat ein Team von Astro­nomen schwache Spuren der chemischen Verbindung Freon-40, das auch als Methyl­chlorid oder Chlor­methan bezeichnet wird, rund um das junge Sternsystem IRAS 16293-2422 in einer Entfernung von etwa 400 Lichtjahren und bei dem berühmten Kometen 67P/Churyumov-Gera­simenko gefunden. Die neue Beobachtung ist der erste Nachweis eines stabilen Organo­halogens im inter­stellaren Raum überhaupt.

Abb.: Darstellung des Organohalogens Methylchlorid (Freon-40) um das junge Sternsystem IRAS 16293-2422. (Bild:
B. Saxton, NRAO / AUI / NSF / NASA / JPL / UCLA)

Organo­halogene bestehen aus Halogenen wie Chlor und Fluor, gebunden mit Kohlen­stoff und manchmal auch anderen Elementen. Auf der Erde entstehen diese Verbin­dungen durch verschiedene biolo­gische Prozesse – in Orga­nismen vom Menschen bis hin zu Pilzen – sowie durch indus­trielle Prozesse wie die Her­stellung von Farb­stoffen und Medi­kamenten. Die Entdeckung einer dieser Verbin­dungen, Freon-40, an Orten, die die Entstehung von Leben erst noch vor sich haben, kann gewisser­maßen als Ent­täuschung gewertet werden, da frühere Studien angedeutet hatten, dass diese Moleküle sich als Indikator für die Anwesen­heit von Leben selbst eignen würden.

„Das Organo­halogen-Freon-40 in der Nähe dieser jungen, sonnen­ähnlichen Sterne zu finden, war über­raschend“, erläutert Edith Fayolle vom Harvard-Smithsonian Center for Astro­physics in Cambridge. „Wir haben einfach nicht damit gerechnet, dass es sich dort schon gebildet hat und waren insbe­sondere auch überrascht, dass es in solch hohen Konzen­trationen vorkommt. Damit ist jetzt klar, dass sich diese Moleküle leicht in solchen Stern­kinderstuben bilden. Damit geben sie umgekehrt aber auch Einblicke in die chemische Evo­lution von Planeten­systemen, einschließ­lich unseres Sonnen­systems.“

Die Exoplaneten­forschung hat längst den Punkt über­schritten, an dem nur nach fernen Planeten allein gesucht wird. Mittler­weile sucht man nach chemischen Markern bei diesen Planeten, die auf das Vorhan­densein von Leben hinweisen könnten. Ein entschei­dender Schritt dabei ist die Bestimmung, welche Moleküle Indika­toren für Leben sein könnten, aber die Etablierung zuver­lässiger Marker bleibt ein kniffliger Prozess. „ALMAs Entdeckung von Organo­halogenen im inter­stellaren Medium sagt uns auch etwas über die Ausgangs­bedingungen der organischen Chemie auf Planeten aus. Diese Chemie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu den Ursprüngen des Lebens“, sagt Karin Öberg. „Organo­halogene sind wahr­scheinlich Bestand­teil der Ursuppe, sowohl auf der jungen Erde als auch auf im Entstehen begrif­fenen, fernen Gesteins­planeten.“

Dies deutet darauf hin, dass Astro­nomen vielleicht einen anderen Weg gehen könnten als zunächst gedacht: Anstatt auf das Vorhan­densein von schon exis­tierendem Leben hinzuweisen, könnten Organo­halogene ein wichtiges Element in der wenig ver­standenen Chemie sein, die am Ursprung des Lebens beteiligt ist. Jes Jørgensen vom Niels-Bohr-Institut der Univer­sität Kopen­hagen fügt hinzu: „Dieses Ergebnis zeigt die Stärke von ALMA, bei jungen Sternen Moleküle von astro­biologischem Interesse auf einer Skala zu detek­tieren, auf der sich Planeten bilden können. Mit ALMA haben wir bisher Vorläufer von Zuckern und Amino­säuren in der Umgebung verschie­dener Sterne gefunden. Die zusätz­liche Entdeckung von Freon-40 um den Kometen 67P/C-G stärkt die Verbindung zwischen der präbio­logischen Chemie entfernter Proto­sterne und unserem eigenen Sonnen­system.“

Die Astro­nomen verglichen auch die rela­tiven Mengen von Freon-40, die verschiedene Chlor­isotope in dem jungen Sternsystem und im Kometen enthalten und fanden ähnliche Häufig­keiten. Dies unter­stützt die Idee, dass ein junges Planeten­system die chemische Zusammen­setzung seiner stern­bildenden Mutter­wolke quasi erben kann und eröffnet die Möglichkeit, dass Organo­halogene während der Planeten­bildung oder durch Kometen­einschläge auf Planeten in jungen Planeten­systemen eintreffen könnten. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir noch viel über die Organo­halogen­bildung zu lernen haben", so Fayolle. „Weitere Unter­suchungen über Organo­halogen in der Nähe anderer Proto­sterne und Kometen müssen unter­nommen werden, um die Antwort zu finden.“

ESO / JOL

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