Frequenzkamm für molekulare Fingerabdrücke
Ein Silizium-Nanodraht erzeugt als optischer Wellenleiter einen breitbandigen Frequenzkamm im mittleren Infrarot.
Anfang der 2000er Jahre gelang erstmals die Erzeugung extrem breitbandiger Superkontinua durch spektrale Verbreiterung von kurzen Laserpulsen in mikrostrukturierten Lichtleiterfasern. Solche Superkontinua finden heute wichtige Anwendungen in verschieden Bereichen der Photonik, wie der optischen Kohärenztomographie, der optischen Nachrichtenübertragung, oder der Fluoreszenzmikroskopie. Die Technik war auch der Schlüssel zur Erzeugung von kohärenten optischen Frequenzkämmen, die mehr als eine Oktave umspannen. Das Spektrum eines solchen Frequenzkammes besteht aus einer großen Zahl diskreter Spektrallinien, deren Linienabstand genau der Pulswiederholrate entspricht. Solche Frequenzkämme eignen sich zur präzisen Messung optischer Frequenzen, denn sie erlauben einen einfachen und direkten Vergleich von optischen Frequenzen mit der Radiofrequenz einer Atomuhr. In der Molekülspektroskopie lassen sich alle Kammlinien gleichzeitig nutzen, um komplexe, breitbandige Spektren sehr schnell und mit hoher Empfindlichkeit zu vermessen.
Abb.: Wenn Laserlicht im mittleren Infrarot in einem Wellenleiter aus einem Silizium-Nanodraht von rechteckigem Querschnitt geleitet wird, führen starke nichtlineare Effekte zu einer dramatischen spektralen Verbreiterung, ohne die Kammstruktur des Eingangsspektrums zu zerstören. (Bild: MPQ)
Frequenzkämme im sichtbaren und nah-infraroten Spektralbereich sind heute kommerziell verfügbar. Der mittlere infrarote Spektralbereich von 2 bis 20 Mikrometern ist dagegen noch wenig erschlossen. Dort findet man die starken fundamentalen Schwingungsbanden der meisten Moleküle und zwei spektrale Transmissionsfenster der Atmosphäre. Die Entwicklung photonischer Technologien für diesen wichtigen Spektralbereich wird vielerorts mit Nachdruck betrieben. Viele Anwendungen in der Spektroskopie, den Materialwissenschaften, der Sicherheitstechnik, der industriellen Prozesssteuerung, sowie der hochempfindliche Nachweis von Molekülen in der Chemie, Biologie oder Medizin würden unmittelbar von leistungsfähigeren photonischen Strahlquellen im mittleren Infrarot profitieren. Insbesondere sind neue Strategien für die Erzeugung von Frequenzkämmen in dieser spektralen Region von großer Bedeutung für die Molekülwissenschaften. Leider gibt es jedoch nur wenige Wellenleiter-Materialien, die sich dort für die Erzeugung breitbandiger Frequenzkämme bei niedrigen Schwellenenergien eignen.
Ein Team von Wissenschaftlern am MPQ hat nun mit Erfolg einen neuen Weg zur Erzeugung breiter Frequenzkämme im mittleren Infrarot aufgezeigt. Hierfür nutzen sie CMOS-kompatible nanophotonische Silizium-Wellenleiter auf einem „Silicon-on-Insulator“-Chip. Mit hochgradig nichtlinearen Wellenleitern mit ingenieurgerecht kontrollierter Dispersion konnten sie phasenkohärente Frequenzkämme mit mehr als einer Oktave Breite von 1500 bis 3300 Nanometern erzeugen. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen sind die Wellenleiter chemisch stabil. Selbst nach mehreren Monaten wurden keine Änderungen im erzeugten Superkontinuum beobachtet. Nach weiterer Entwicklung sollte es möglich sein, auf Silizium-Basis bei Zimmertemperatur kohärente Frequenzkämme bis zu 8500 Nanometern zu erzeugen. Auf längere Sicht könnten solche miniaturisierten Wellenleiter ein auf einem Chip integriertes Frequenzkamm-Spektrometer ermöglichen, das sich beispielsweise für den hochempfindlichen chemischen Spurennachweis eignet.
MPQ / RK