Frühwarnsystem in 80 Kilometern Höhe
Bläulich leuchtende Nachtwolken sind eine Art Frühwarnsystem für Veränderungen in der oberen Atmosphäre durch den Menschen.
Kühlungsborn (dpa) - Es sind eigenartige, bläuliche Wolken: Die «leuchtenden Nachtwolken» in einer Höhe von rund 80 Kilometern bestehen aus Eiskristallen und sind zu dünn, um bei Tageslicht beobachtet werden zu können. Sie sind nur dann zu sehen, wenn die Sonne gerade untergegangen ist und die Wolke in einem bestimmten Winkel von der Sonne angestrahlt wird. «Diese Wolken haben mit dem Wetter hier aber nichts zu tun», sagt Franz-Josef Lübken, Chef des Leibniz-Institutes für Atmosphärenphysik (IAP) in Kühlungsborn.
Sie könnten jedoch in der Diskussion um die globale Klimaänderung eine wichtige Rolle spielen, sagte Lübken, dies habe sich bei einer Fachkonferenz Ende Oktober in Kyoto (Japan) bestätigt. «Die leuchtenden Nachtwolken sind ein Frühwarnsystem für Veränderungen in der oberen Atmosphäre durch menschliche Einträge», erläutert der Wissenschaftler, der mit seinem Institut das Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft CAWSES (Climate And Weather of the Sun-Earth System) führt. Das von Menschen emittierte Kohlendioxid kommt wenige Jahre später oben an. «Die gesamte Atmosphäre verändert sich, das kann uns nicht egal sein.»
Die Wolken entstehen nur dann, wenn es in ihrer Höhe mit etwa minus 150 Grad Celsius kalt genug ist, was von Mai bis August der Fall ist. «Sie haben an Häufigkeit und Intensität im Laufe der Jahre zugenommen», erklärt Lübken, der in seinem Institut auf die mit 40 Jahren weltweit längste Beobachtungsreihe der Temperaturen in dieser Schicht zurückblicken kann.
Dort oben führen Kohlendioxid, Methan und andere Gase - im Gegensatz zur erdnahen Atmosphäre - zur Abkühlung. Die optische Dichte sei so gering, dass Lichtteilchen, sogenannte Photonen, direkt in den Weltraum abgestrahlt werden. In den beobachteten vier Jahrzehnten habe sich die Temperatur dort um 16 Grad abgekühlt. Welche Folgen eine weitere Temperaturabsenkung in dieser Schicht haben könnte, ist unbekannt. Bedenklich ist nach Lübkens Worten, dass die Wolken bislang nur im Norden Europas zu beobachten waren, nun aber auch in Südfrankreich zu sehen sind.
Diese Bedenken teilt Marco Giorgetta vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie. «Die leuchtenden Nachtwolken sind ein weiterer Hinweis darauf, dass es Handlungsbedarf gibt.» Wie Lübken sieht er aber auch, dass die Forschung der Atmosphärenphysik vorangetrieben werden muss - noch ist viel zu wenig bekannt, um eindeutige Aussagen treffen zu können. Er verweist darauf, dass in 80 Kilometern Höhe Änderungen schneller Auswirkungen haben können, weil die Zahl der unterschiedlichsten Einflüsse geringer ist - «das Hintergrundrauschen ist kleiner».
Da die Forschungen erst am Anfang sind, warnt Lübken vor schnellen Schlussfolgerungen. Er will sich mit seinen Forschern nicht in politische Diskussionen hineinziehen lassen. «Ratschläge zu geben, wäre hochspekulativ.» Untersucht werden müsse auch die Rolle von Meteoritenstaub. Jeden Tag fällt rund 100 Tonnen Meteoritenmaterial auf die Erde. Meteoriten zerfallen zu Staub und bilden Kerne für Eiskristalle, die letztlich für die Bildung der leuchtenden Nachtwolken verantwortlich sind. «Die Physik der Atmosphäre ist nicht so einfach, wie wir es manchmal gerne hätten.»
Joachim Mangler, dpa
Weitere Infos:
-
Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik (IAP):
http://www.iap-kborn.de