25.01.2017

Gasriese auf dem Labortisch

Laborexperiment modelliert erstmals Tiefen­strö­mungen auf jupiter­ähn­lichen Planeten.

Die markanten Streifen und der rote Fleck gehören zu den bekann­testen Mustern von Jupiters Atmo­sphäre. Wie tief aber reichen eigent­lich diese Verwir­be­lungen der oberen Wolken­schichten auf dem Gas­riesen? Die Frage betrifft nicht nur Jupiter, sondern auch die anderen Gas­riesen in unserem Sonnen­system – und die Model­lie­rung der Atmo­sphären großer Exo­planeten in fernen Sternen­systemen.

Abb.: Aufbau (links) und numerische Simu­lation (rechts) des Experi­ments. (Bild: S. Cabanes et al. / NPG)

Eine besondere Schwierigkeit bei der Simulation der massiven Atmo­sphären von Gas­riesen besteht darin, dass Modell­rech­nungen ange­sichts des turbu­lenten und chao­tischen Verhal­tens häufig unrea­lis­tische Ergeb­nisse zeigen. Experi­mentell sind die tieferen Schichten auch nur schwer zugäng­lich. Die im Jahr 2011 gestar­tete NASA-Raum­sonde Juno – auch Jupiter Polar Orbiter genannt – ist vor gut einem halben Jahr am größten Planeten unseres Sonnen­systems ange­kommen und wird eine Viel­zahl neuer Erkennt­nisse liefern. Um die Daten von Juno besser zu ver­stehen, sind aller­dings realis­tische Atmo­sphären-Modelle wichtig. Ein Forscher­team aus Frankreich hat nun ein Experi­ment reali­siert, mit dem die Wissen­schaftler einige Eigen­schaften der turbu­lenten Strö­mungen auf Gas­riesen ange­sichts der notwen­digen Verein­fachung und Minia­turi­sierung über­raschend gut nach­stellen konnten.

Die Forscher um Michael Le Bars von der Uni Marseille entwarfen hierzu ein spe­zielles Experi­ment: Auf einem rotie­renden Tisch befand sich ein Wasser­tank, in dem ein Pump­system mit 64 kleinen Düsen für eine turbu­lente Strömung sorgte. Dabei saugten 32 Düsen mit einem Durch­messer von zwei Milli­metern Wasser an, das 32 vier Milli­meter durch­messende Düsen wieder aus­strömen ließen. Der Tank war etwas über einen Meter hoch und hatte einen Durch­messer von einem Meter. Die Wissen­schaftler wählten Rota­tions­geschwin­dig­keiten von bis zu 75 Umdre­hungen von Minute. Die Strömungen nahmen die Forscher mit einer Kamera auf, die von oben auf den Tank schaute.

Bei abgeschaltetem Pumpsystem nahm die Wasseroberfläche wie erwartet die Form eines Parabo­loids an. Schalteten die Forscher nun die Düsen an, so bildeten sich streifen­förmige, turbu­lente Muster heraus, die über­raschend den Wolken­mustern auf den Gas­riesen ähnelten. Die partiellen Strömungs­geschwin­dig­keiten konnten die Forscher anhand von neunzig kleinen schwarzen Kügel­chen aus­werten, die in der Flüssig­keit verteilt waren. Diese Kügel­chen hatten einen Durch­messer von drei Milli­metern – unter­halb der typischen Strömungs­breiten – und die Dichte von Wasser. Durch Verfol­gung dieser Kügel­chen konnten die Forscher Tiefen­profile in der Strömung erstellen.

Abb.: Links ist eine Aufnahme der Cassini-Raum­sonde vom Süd­pol des Jupiters zu sehen, rechts die Geschwin­dig­keits­ver­teilung im Experi­ment. (Bild: S. Cabanes et al. / NPG / NASA)

Wie sich herausstellte, bildeten sich tiefreichende, axial­symme­trische, stabile Strömungs­zonen heraus, die an der parabel­förmigen Ober­fläche zu turbu­lenten Streife­nmustern führte – wie sie auch auf Gas­riesen auf­treten. Einigen Modellen zufolge sollten auf Gas­riesen dissi­pative Effekte – nicht zuletzt auf­grund der starken Magnet­felder – solche Strö­mungen auf die oberen Schichten der Tropo­sphäre beschränken. Offen­bar können aber auch durch­aus tief­rei­chende Strö­mungen ent­stehen.

Auch wenn es auf den ersten Blick durchaus ungewöhnlich erscheinen mag, diese künst­lich erzeugten, modell­haften Strömungs­profile auf die Atmo­sphäre von Gas­riesen über­tragen zu wollen, so gibt es doch eine Reihe ähn­licher Experi­mente, die besser als viele Simula­tionen solche atmo­sphä­rischen Dyna­miken nachzu­bilden vermögen. Wie insbe­sondere die Analyse wichtiger strömungs­dyna­mischer Para­meter zeigte, gelang es den Forschern erst­mals, Tiefen­strömungen mit Jupiter-typischen Kenn­zahlen nachzu­stellen.

Inwieweit sich diese Laborbefunde mit der Realität decken, wird glücklicher­weise schon bald klar werden: Die Raum­sonde Juno wird Jupiter noch gut ein Jahr lang auf einem hoch­ellip­tischen, polaren Orbit um­kreisen, bevor sie in dessen Atmo­sphäre verglüht. Dasselbe Schick­sal wird die Saturn­sonde Cassini ein wenig früher ereilen: Das Ende dieser Mission ist für September 2017 vorge­sehen. Auch von den Cassini-Daten erhoffen sich die Forscher einige Ein­sichten in die Atmo­sphären-Dynamik von Gas­riesen. Juno ist aller­dings ein Stück größer dimen­sio­niert und hat über zehn Jahre modernere Instru­mente an Bord, weshalb ihre Daten tieferen Ein­blick in die Wolken­schichten geben dürften.

Die Forscher gehen nach Analyse ihrer Experimente jeden­falls davon aus, dass sich in den Daten der Raum­sonden Hin­weise auf tief­reichende Gas­strömungen finden werden. Auch die starken Magnet­felder, die für entspre­chende Dissi­pation sorgen, sollten nicht in der Lage sein, solche Gas­ströme zu unter­binden.

Dirk Eidemüller

RK

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