Heute übernehmen Gaskraftwerke eine wichtige Rolle als Spitzenlastkraftwerke. Sie können ihre Leistung schnell und flexibel anpassen und so Lastspitzen oder Zeiträume überbrücken, in denen kaum Sonne scheint und wenig Wind weht. Bisher verbrennen Gasturbinenkraftwerke meist Erdgas und stoßen daher Kohlendioxid aus. Grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist eine klimaverträgliche Alternative und kann Erdgas ersetzen. Das DLR-Institut für Verbrennungstechnik in Stuttgart forscht daran, wie sich Gasturbinen möglichst emissionsarm mit Wasserstoff betreiben lassen.
Neue Kraftwerke zu bauen kostet jedoch Geld und Zeit. Daher kann es sich lohnen, bestehende Anlagen wasserstofffähig umzurüsten. Solche Retrofit-Konzepte können den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft erleichtern. „Ein neues Gasturbinenkraftwerk mit fünfzehn Megawatt Leistung zu bauen, dauert etwa sechs Jahre und kostet rund dreißig Millionen Euro. Eine Bestandsanlage durch einen Retrofit umzurüsten, dauert dagegen nur eineinhalb Jahre und kostet etwa ein Zehntel“, sagt Peter Kutne, Leiter der Abteilung Gasturbinen am DLR-Institut für Verbrennungstechnik. Mikrogasturbinen mit Leistungen von rund 100 Kilowatt werden häufig in Krankenhäusern, Hotels oder in Brauereien eingesetzt, um Strom und Wärme zu erzeugen.
Im Projekt Retrofit H2 haben das DLR und PSC erstmals eine Pilotanlage komplett umgerüstet. Gemeinsam haben sie eine Mikrogasturbine so umgebaut, dass sie sich sowohl mit reinem Wasserstoff als auch mit Mischungen von Erdgas und Wasserstoff betreiben lässt. Es ist das erste marktfähige Retrofit-Konzept für Mikrogasturbinen. Martina Hohloch und ihr Team haben zunächst die Brennkammer der Turbine durch eine wasserstofffähige Version ersetzt. „Besonders herausfordernd ist die hohe chemische Reaktionsfreudigkeit von Wasserstoff. Er hat eine rund zehnfach größere Flammengeschwindigkeit als Erdgas und die Zündenergie ist um den gleichen Faktor geringer. Das macht eine sichere Verbrennung schwierig“, sagt Hohloch. „Wir mussten bei der Entwicklung des Brenners darauf achten, dass die Flamme nicht in die Düsen des Brenners zurückschlägt und ihn beschädigt.“
Im H2-Container Technikum in Lampoldshausen hat das Retrofit-Team die ersten Testläufe der Mikrogasturbine mit reinem Wasserstoff durchgeführt. „Wir waren sehr gespannt, wie die Turbine mit dem neuen Brennkammersystem außerhalb der Laborumgebung hochläuft“, sagt Martina Hohloch. „Die Versuche haben gezeigt, dass wir problemlos mit reinem Wasserstoff starten können und die Anlage den vollen Betriebsbereich von Teillast bis Volllast erreicht. Unsere Pilotanlage hat über mehrere Stunden die volle elektrische Leistung von 100 Kilowatt geliefert.“ Inzwischen lief die Anlage fast 100 Stunden mit reinem Wasserstoff. Im Technikum erzeugen zwei Elektrolyseure grünen Wasserstoff mit Strom aus einem benachbarten Windpark.
Ein weiterer Vorteil des Retrofit-Konzepts ist die hohe Brennstoffflexibilität der Turbinen. Bis ausreichend grüner Wasserstoff verfügbar ist, müssen Kraftwerke mit Gemischen aus Erdgas und Wasserstoff betrieben werden. Dabei sollen die Gasturbinen mit allen Mischungsverhältnissen effizient laufen. Die unterschiedlichen Verbrennungseigenschaften sind jedoch herausfordernd. Daher hat Power Service Consulting ein flexibles Misch- und Verteilsystem entworfen, das die Mikrogasturbine auf das jeweilige Brennstoffgemisch einstellt. Damit lässt sich die Anlage sowohl mit reinem Wasserstoff als auch mit Erdgasgemischen betreiben. Dazu waren Anpassungen in der Steuerung und in der Sicherheitstechnik notwendig.
Da Luft zu 78 Prozent aus Stickstoff und zu 21 Prozent aus Sauerstoff besteht, entstehen bei der Verbrennung von Wasserstoff mit Luft auch unerwünschte Stickoxide. Grund hierfür sind die hohen Verbrennungstemperaturen von Wasserstoff. „Der Anteil von Stickoxiden lag im gesamten Betriebsbereich der Mikrogasturbine bei weniger als 15 parts per million (ppm). Dies unterschreitet deutlich den Grenzwert für Erdgas“, sagt Martina Hohloch. „Dieses herausragende Ergebnis bestätigt, dass sich die jetstabilisierte Verbrennung sehr gut für Wasserstoff eignet.“
Anders als in den üblichen Industriebrennern werden hier Brennstoff und Luft durch ringförmig angeordnete Düsen in die Brennkammer eingeblasen. Dadurch entsteht in der Brennkammer eine Rückströmung. Diese transportiert die heißen Abgase wieder zurück zu den Brennerdüsen und vermengt sie mit frischem Brennstoffgemisch. Dadurch sinkt die Temperatur in der Brennkammer und es entstehen weniger Stickoxide. Die Rezirkulation der Abgase stabilisiert die Flamme außerdem sehr effektiv. Das Konzept ist skalierbar und eignet sich auch für andere Turbinenarten und -größen.
DLR / JOL