Geodynamo im Silikatgestein
Komplexe Simulationen sprechen für Ursprung des frühen Erdmagnetfelds im unteren Erdmantel.
Das Erdmagnetfeld ist zwar für die Entstehung von Leben auf unserem Planeten entscheidend, birgt aber immer noch viele Geheimnisse in sich. So weiß man aus der Analyse uralter Zirkoneinschlüsse in Mineralien, dass die Erde schon vor 4,2 Milliarden Jahren ein nennenswertes Magnetfeld aufwies. Das ist lange, bevor der innere Erdkern sich verfestigen konnte und der heute existierende Dynamo-Mechanismus im äußeren Erdkern seine Tätigkeit aufnahm. Dieser ist vermutlich nur etwas über eine halbe Milliarde Jahre alt.
Das heutige Magnetfeld verdankt sich der Konvektion im äußeren Erdkern, der hauptsächlich aus flüssigem Eisen und Nickel besteht. In den alten Zirkonkristallen ist aber ein überraschend starkes Magnetfeld eingeschrieben, das eine ähnliche Feldstärke aufwies wie das heutige. Da gerade in dieser frühen Phase unseres Sonnensystems der Sonnenwind sehr stark war, hat dieses Magnetfeld die Atmosphäre und den Wassergehalt auf der Erde vor Erosion geschützt. Der Ursprung des alten Geodynamos ist aber immer noch unklar. Nun hat ein Forscherteam um Lars Stixrude von der University of California in Los Angeles ein wichtiges Indiz gefunden, das zu einer Neubewertung der Situation im unteren Erdmantel führen konnte.
Die Wissenschaftler haben sich das Verhalten von Silikatgesteinen unter hohem Druck mittels aufwändiger Dichtefunktionalrechnungen genauer angeschaut. „Bislang wurde dies noch nie in dieser Form gemacht, weil flüssige Silikate als ionische und nicht als elektrische Leiter gelten“, sagt Stixrude. Damit galten Silikate bislang als uninteressant, weil sie nicht den notwendigen elektrischen Stromfluss zur Erzeugung eines Magnetfelds aufbringen können. Es gibt bisher auch keine experimentellen Daten zu Silikaten unter solch extremen Bedingungen mit hohem Druck und hoher Temperatur.
Um die Leitfähigkeit abzuschätzen, führten die Forscher molekulardynamische Simulationen aus, die die Zusammensetzung des Erdmantels an Silikaten und den sechs wichtigsten Oxidbestandteilen widerspiegeln. Dabei gingen sie von den Bedingungen im unteren Erdmantel aus, was ungefähr einem Druck von 120 Gigapascal und einer Temperatur von 4000 Kelvin entspricht. Dabei konnten die Forscher in ihren Simulationen bis zu 1129 Atome zugleich berücksichtigen – ein Spitzenwert für derartige Berechnungen in den Geowissenschaften. Die elektrische Leitfähigkeit berechneten die Forscher mit Hilfe der Green-Kubo-Formel, mit der sich Transportkoeffizienten im Rahmen einer quantenstatistischen Auswertung gewinnen lassen.
Das überraschende Ergebnis: Die Leitfähigkeit flüssiger Silikate unter diesen Bedingungen stieg um mehr als den Faktor 100 gegenüber Normalbedingungen an und erreichte Werte von über 10.000 Siemens pro Meter. Wie die Wissenschaftler weiter herausfanden, überstieg damit die magnetische Reynoldszahl den Grenzwert, ab dem sich ein Geodynamo bilden kann. Eine Abschätzung der damit möglichen Magnetfeldstärken passt auch zu den in alten Gesteinen dokumentierten Werten. Da zu Silikaten unter solchen Bedingungen keine experimentellen Werte zur elektrischen Leitfähigkeit vorliegen, zogen die Forscher zum Vergleich Messwerte an Magnesium- und Eisenoxiden heran. Diese passten gut zu den jetzigen Simulationen.
Es könnte also gut sein, dass sich der Geodynamo zunächst im unteren, basaltischen Erdmantel herausgebildet hat, um dann nach Milliarden von Jahren der langsamen Abkühlung weiter nach unten in den äußeren, eisenhaltigen Erdkern zu wandern. Wenn das Erdmagnetfeld früher auch schon eine ähnliche Stärke besaß wie heute, so könnte seine Form doch anders gewesen sein. Das ließe sich vielleicht anhand geologischer Proben herausfinden. Wie sich die Übergangsphase zwischen Mantel- und Kerndynamo abgespielt hat, dürfte viele interessante Fragen mit sich bringen. „Die Datengrundlage an Milliarden Jahre alten Gesteinen ist natürlich spärlich“, sagt Stixrude, „aber Messungen ihrer magnetischen Feldstärke und Feldrichtung könnten uns Anzeichen für einen Wechsel von einem silikat- zu einem eisengetriebenen Dynamo geben.“
Nicht zuletzt für die Erforschung von Exoplaneten sind diese Ergebnisse von Bedeutung. Auch wenn der Nachweis von Magnetfeldern bei erdähnlichen Exoplaneten beziehungsweise bei Super-Erden große technologische Herausforderungen mit sich bringt, so könnte dies doch für die Einschätzung ihrer Bewohnbarkeit entscheidend sein. Bislang sind silikatgetriebene planetare Dynamos zwar noch unbekannt. Aber sie könnten gerade bei Super-Erden eine wichtige Rolle spielen, da diese Planeten im Durchschnitt höhere Temperaturen aufweisen als erdähnliche Planeten und deshalb auch umfangreichere und über längere Zeit entsprechend aktive Magma-Ozeane aufweisen. Da Magnetfelder die Planetenatmosphären vor Erosion durch Sonnenwinde schützen, könnte das elektrische Verhalten von Gesteinsarten unter hohem Druck wesentlichen Einfluss auf die Lebensfreundlichkeit von Exoplaneten besitzen.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
L. Stixrude, R. Scipioni & M. P. Desjarlais: A silicate dynamo in the early Earth, Nat. Commun. 11, 935 (2020); DOI: 10.1038/s41467-020-14773-4 - Geophysics, Earth, Planetary, and Space Science, University of California, Los Angeles, USA
RK