23.12.2020

Gerda gibt den Staffelstab weiter

Neutrinoloser doppelter Betazerfall steht aus – dennoch alle wichtigen Ziele erreicht.

Die Zeit des Gerda-Experiments zum Nachweis des neutrinolosen doppelten Betazerfalls geht zu Ende. Der Forschungsverbund hat den vollen Datensatz, den das Experiment geliefert hat, nun ausgewertet und veröffentlicht. Auch wenn kein Signal gefunden wurde, hat das Experiment alle für die Abschluss­phase anvisierten Ziele erreicht. Die mit Gerda seit 2011 erzielten Fortschritte fließen jetzt in das neue Legend-Experiment ein.

 

Abb.: Der Argon-Tank des Gerda-Experiments (Bild: M. Heisel / Gerda...
Abb.: Der Argon-Tank des Gerda-Experiments (Bild: M. Heisel / Gerda Collaboration)

Beim bisher nicht nachgewiesenen neutrinolosen Doppelbeta-Zerfall wandeln sich zwei Neutronen eines Atomkerns – hier Germanium-76 – gleichzeitig in zwei Protonen um. Dabei würde man die Emission von je zwei Elektronen und Anti-Neutrinos erwarten. Wenn sich der Zerfall ohne Neutrinos abspielt, wäre das ein Hinweis auf neue Physik: Eine solche Messung wiese auf eine Verletzung der Leptonzahl hin und würde belegen, dass Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind. Für die Teilchenphysik und die Kosmologie wäre das ein bedeutsames Ergebnis, das unter anderem erklären könnte, warum im Universum so viel mehr Materie als Antimaterie zu finden ist.

Zwar konnte Gerda den neutrinolosen doppelten Betazerfall nicht nachweisen. Mit den finalen Messungen ließ sich jedoch die die mittlere Zerfallsdauer von Germanium-76 durch den gesuchten Zerfall auf mindestens 1,8 × 1026 Jahre präzisieren. „So lange dauert es statistisch, bis sich zwei Neutronen in einem Germanium-76-Kern per neutrinolosen doppelten Betazerfall umwandeln“, erklärt Anna Zsigmond, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Physik. „Das sind 16 Größen­ordnungen mehr als das Alter des Universums. Außerdem gelang es uns, störende kosmische und radioaktive Strahlung weitgehend zu eliminieren. Damit hätten wir die ‚echten‘ Signale des Zerfalls eindeutig identifizieren können.“

Die Messungen des Gerda-Experiments starteten 2011 im Gran Sasso-Untergrundlabor (Laboratori Nazionali del Gran Sasso) des INFN in Italien. Dort bilden 1400 Meter Felsgestein eine erste wirkungsvolle Barriere gegen kosmische Strahlung. Gerda bestand aus 41 Germanium-Detektoren mit einer Masse von insgesamt 44,2 Kilogramm und einer Anreicherung des Isotops Germanium-76 von 86 bis 88 Prozent. Das Besondere an Germanium-76: Das Material ist gleichzeitig Quelle und Detektor für den Zerfall.

Anders als bei früheren Experimenten verzichtete man bei Gerda darauf, die Detektoren einzukapseln. Diese werden direkt in ultrareinem flüssigem Argon gekühlt, das auch Schutz vor radioaktiver Strahlung bietet. Denn trotz sorgfältiger Tests ist nicht zu verhindern, dass die für das Experiment verwendeten Materialien extrem schwach radioaktiv sind und deswegen die Messungen beeinträchtigen.

Um die Signale dieser radioaktiven Zerfälle erkennen zu können, wurde der Argon­behälter außerdem mit Licht­detektoren ausgestattet. Zusätzlich kann Störstrahlung durch die Zeit­verteilung der einzelnen Signale im Germanium-Detektor identifiziert werden. Um die Detektoren vor kosmischer Strahlung und Radioaktivität aus der Umgebung abzuschirmen, ist der Argon-Kryostat in einen Wassertank eingelassen. Um die Vorteile des weitgehend störungs­freien Setups bestmöglich zu nutzen, hat der Gerda-Forschungsverbund neuartige Detektoren und Analyse­methoden entwickelt.

Die Erfahrungen mit Gerda zeigen, dass sich auch größere Germanium-Experimente weitgehend ohne Störeinflüsse betreiben lassen. Das Nachfolger-Experiment Legend befindet sich bereits in den Startlöchern. In der ersten Phase planen die beteiligten Forschungs­einrichtungen, Germanium-Detektoren mit einer Masse von insgesamt 200 Kilogramm in die leicht angepasste Gerda-Infrastruktur einzusetzen.

„Die Messungen dieser ersten Phase werden voraussichtlich im Jahr 2021 beginnen, sagt Zsigmond. „Schrittweise wird Legend dann auf tausend Kilogramm Germanium hochgerüstet. In der finalen Phase des Experiments lässt sich das Entdeckungspotenzial für den neutrinolosen doppelten Betazerfall so auf über 1028 Jahre verbessern.“

MPP / DE

 

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